Thomas Götz über das Wettbieten vor der Nationalratswahl
Acht Wochen noch bis zur Wahl und das Wettbieten um die Publikumsgunst hat gerade erst begonnen. Dagegen hilft nur ein Verbot. Anderswo gilt es bereits.
Gute Ideen zu kopieren, ist keine Schande. In manchen Ländern gilt die Regel, nach dem Auflösungsbeschluss im Parlament keine budgetrelevanten Entscheidungen mehr zu treffen. Der Sinn leuchtet ein: Knapp vor der Wahl soll niemand in Versuchung kommen, zur Stärkung der eigenen Position im Wahlkampf milde Gaben auf Kosten folgender Generationen zu verteilen.
In traumatischer Erinnerung bleibt der Herbst 2008. Damals überboten sich die Parlamentsparteien in der letzten Sitzung vor dem Ende der Legislaturperiode an Großzügigkeit. Manche Gabe musste nachher wegen Unfinanzierbarkeit zurückgenommen werden, anderes belastet das Budget bis heute mit insgesamt vier Milliarden im Jahr, wie der Finanzminister unermüdlich vorrechnet.
Was ist eine Nacht gegen acht Wochen? So lange noch bietet sich die Gelegenheit zum unedlen Wettstreit der Großzügigkeiten. Erste Anzeichen dafür zeichnen sich ab. Die Beamtengewerkschaft hätte gerne die Gespräche über ihre Gehälter ausnahmsweise vor den Metall- arbeitern abgeführt, die den Reigen traditionell eröffnen – vor der Wahl also. Da lässt sich erfahrungsgemäß mehr herausholen als nachher. Der Kanzler schien nicht abgeneigt.
Die Diskussion über die Inflationsabgeltung für Pensionisten läuft nach demselben Muster ab. Die Seniorenvertreter der Großparteien, beide Routiniers des politischen Betriebs, witterten die Chance, erpressbare Wahlkämpfer durch die politische Arena treiben zu können. Sozialminister Alois Stöger legte denn auch 111 Millionen aus Steuermitteln auf den Tisch – zusätzlich zu den 786 Millionen, die zur garantierten Inflationsabgeltung für Pensionisten sowieso aufzubringen sein werden. Sein Parteifreund Karl Blecha, der den SPÖ-Pensionistenverband anführt, spricht etwas abfällig von einem ersten Vorschlag und findet, „da ist noch mehr notwendig“.
Nun kann niemand behaupten, Österreichs Pensionssystem sei ein Musterbild an Gerechtigkeit. Niemand mag sich vorstellen, mit einer Mindestpension das Leben bestreiten zu müssen. Nichts spricht also dagegen, den Inflationsausgleich zu staffeln. Wo aber Mehrausgaben ins Spiel kommen, wüsste man einfach gerne, wo das Geld herkommen soll. Die schöne Gewohnheit, immer neue sinnvolle, gerechte und gewiss auch nützliche Mehrausgaben zu erdenken, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie ein hoch verschuldeter Staat die zusätzliche Last tragen und wieder abbauen kann, sollte endlich ausgedient haben. Sie stammt aus Zeiten rasanten Wachstums und hatte damals ihre Berechtigung. Doch diese Zeiten sind vorüber. Heute sollte kein Politiker mehr mit Forderungen davonkommen, deren Abdeckung er oder sie nicht minutiös vorrechnen kann. Alles D andere ist verantwortungslos. ie nächsten acht Wochen könnten teuer werden – ein Auftrag an die nächste Regierung, sich die erwähnte gesetzliche Selbstbeschränkung endlich aufzuerlegen.