Die Terrorzelle aus dem Bergdorf
Zwölf junge islamistische Fundamentalisten konnten in der Abgeschiedenheit eines Bergdorfes in den Pyrenäen ihren Terrorplan verwirklichen. Nur eigene Unachtsamkeit hat eine große Katastrophe verhindert.
Mit der Ruhe in Ripoll ist es vorbei: Die Polizei belagert derzeit das katalanische Bergdorf, in dem jene Terrorzelle heranreifte, die in Barcelona und dem Ferienort Cambrils Anschläge verübte. Mannschaftswagen der Polizei, der Mossos d’Esquadra, stehen in den Straßen. Häuser werden durchsucht. Auch jene Wohnung, wo der Iman wohnte, der die jungen Männer mit Hassbotschaften aufgehetzt haben soll – und der nun verschwunden ist. Der Prediger Albdelbaki E. wird als möglicher Kopf der Terrorzelle angesehen, der insgesamt wenigstens zwölf islamistische Fundamentalisten im Alter von 17 bis 34 Jahren angehörten. Die meisten von ihnen sind marokkanischer Abstammung und lebten in Ripoll.
Auch der mutmaßliche Fahrer des Terrorfahrzeugs, der 22jährige Younes Abouyaaqoub, der nach der Tat flüchten konn- wohnte hier. Genauso wie die Brüder Oukabir, der 28 Jahre alte Driss und sein erst 17 Jahre alter Bruder Mousa. Letzterer war zunächst verdächtigt worden, den Wagen über die Flaniermeile La Rambla gesteuert zu haben, was aber weitestgehend ausgeschlossen wird.
Mousa gehört zu jenen fünf Terroristen, die in Cambrils von der Polizei erschossen wurden. Genauso wie seine ebenfalls aus Ripoll stammenden Freunde Mohamed Hychami und Said Aallaa, die gleichfalls, nachdem sie mit Messern auf Beamte und Passanten losgingen, durch Schüsse getötet wurden. Zudem wurden drei mutmaßliche Gesinnungsgenossen festgenommen, darunter Driss Oukabir.
Die Einwohner fielen aus allen Wolken, als der Name Ripoll und die Fotos einiger Bewohner in den Medien auftauchten: „Wir sind bestürzt und traurig“, sagt Bürgermeister Jordi Munell. Obwohl in seinem Dorf mit 11.000 Einwohnern, davon neun Prozent Einwanderer, jeder jeden kenne, habe niemand etwas Verdächtiges bemerkt. Die Familie lebe seit 20 Jahren in dem Dorf – es seien „ganz normale junge Männer“gewesen.
Auch die Antennen der Sicherheitsbehörden, die die Islamistenszene in Spanien bisher recht erfolgreich observierten, schlugen nicht aus. Vielleicht, weil diese Zelle im abgelegenen Pyrenäen-Bergort heranwuchs, rund 100 Kilometer von der gut bekannten Extremismushochte, burg Barcelona entfernt? In Ripoll brütete die Gruppe offenbar ihren heimtückischen Plan aus, der ursprünglich vorsah, drei Lieferwagen mit Sprengsätzen zu versehen und in Barcelona sowie anderen Tourismushochburgen in der nordspanischen Region zu zünden.
Nachdem am Mittwoch ihre Bombenwerkstatt im Keller eines Hauses, im 200 Kilometer von Ripoll entfernten Küstenort Alcanar in die Luft flog, beschlossen sie einen Plan B: die mörderische Fahrt über die
Rambla in Barcelona. Monatelang bereiteten sie sich vor, kauften mehr als 100 Butangasflaschen und andere Bombenbaumaterialien. Und sie machten sich zumindest seit Juni im Keller eines abgelegenen Einfamilienhauses daran, Sprengsätze zu bauen. Besonders vorsichtig waren sie aber nicht: Denn am Abend des 16. August zerstörte eine Explosion ihren Keller. Unter den Trümmern fand die Polizei zwei Leichen. Eine davon könnte jene des verschwundenen Iman sein.
Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido wagte sich am Samstag weit vor: Die Gruppe sei „vollständig zerschlagen“. Sein Kollege aus Katalonien, Joaquim Forn, widersprach und sagte, die Terrorzelle sei erst außer Gefecht, „wenn man den Aufenthaltsort von allen Personen, die dazugehörten, kennt“. Und das ist noch nicht der Fall. Denn einer fehlt noch: der mutmaßliche Todesfahrer Younes Abouyaaqoub. Er ist momentan der meistgesuchte Terrorist Europas.