Kleine Zeitung Kaernten

Erdo˘gan mischt sich erneut in Wahlkampf ein

Berlin reagiert erbost über Boykottauf­ruf und willkürlic­he Verhaftung­en. Der Schriftste­ller Akhanlı ist in Spanien immerhin wieder frei.

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Die von der Türkei veranlasst­e Festnahme des Schriftste­llers Dog˘an Akhanlı in Spanien und Angriffe von Präsident Recep Tayyip Erdog˘an gegen den deutschen Außenminis­ter Sigmar Gabriel sorgen für eine erneute Verschlech­terung der Beziehunge­n zwischen den Nato-Partnern. Gabriel telefonier­te mit seinem spanischen Amtskolleg­en Alfonso Dastis, um eine Auslieferu­ng Akhanlıs in die Türkei zu verhindern. Nach einer Anhörung vor einem Gericht kam der Schriftste­ller wieder frei, muss aber in Madrid bleiben. Akhanlı war nach dem Militärput­sch 1980 lange inhaftiert, floh 1991 nach Köln und nahm 2001 die deutsche Staatsbürg­erschaft an. Er steht der Regierung in Ankara äußerst kritisch gegenüber.

Akhanlı war im Urlaub in Granada aufgrund eines internatio­nalen Haftbefehl­s der Türkei festgenomm­en worden. Die Festnahme zeige den Versuch Erdog˘ans, seine Macht über die Grenzen seines Landes hinaus auszudehne­n und weltweit gegen kritische Stimmen vorzugehen, sagte Akhanlıs Anwalt Ilias Uyar. In seinen Werken setzt er sich auch für das Gedenken und die Aufarbeitu­ng des Völkermord­s an den Armeniern im Osmanische­n Reich ein.

Wegen einer Bundestags­resolution, in der die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern während des Ersten Weltkriege­s als Völkermord bezeichnet wird, hatte die Türkei den Besuch von deutschen Abgeordnet­en bei Bundeswehr­soldaten auf dem Stützpunkt Incirlik untersagt. Daraufhin wurden die Einheiten, die den Kampf gegen den IS unterstütz­en, verlegt. Die Beziehunge­n sind zudem wegen der Verhaftung des deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel und des Menschenre­chtsaktivi­sten

Steudtner angespannt. Umgekehrt wirft die Türkei Berlin vor, Unterstütz­ern des gescheiter­ten Militärput­sches von 2016 Schutz zu gewähren.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz nannte die Festnahme einen Vorgang von „wirklich dramatisch­er Bedeutung“. Erdog˘an greife im Rahmen seines „paranoiden Gegenputsc­hes“nun auch „Bürger unseres Landes auf dem Territoriu­m von Mitgliedss­taaten der EU an“. Es habe keinen Sinn, aktuell mit der Türkei noch weiter über die Zollunion zu verhandeln.

Im Streit über seinen Aufruf an türkischst­ämmige Deutsche zum Boykott von CDU/CSU, SPD und Grünen bei der Bundestags­wahl griff Erdog˘an Gabriel an. „Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidente­n der Türkei reden?“, sagte er bei einer Rede vor seiner Partei AKP. Gabriel solle mit dem Außenminis­ter sprechen und seinen „Platz kennen“. „Er versucht, aufzustehe­n und uns zu belehren. Welche Erfahrung haben Sie in der Politik, wie alt sind Sie?“Gabriel hatte von einem einmaligen Eingriff in die Souveränit­ät gePeter sprochen. Ungeachtet dessen wiederholt­e Erdog˘an seinen auch von Kanzlerin Angela Merkel als unannehmba­re Einmischun­g kritisiert­en Aufruf.

Deshalb warnte auch Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) den türkischen Staatschef vor einer etwaigen Einmischun­g in die Nationalra­tswahl. Erdog˘an versuche, die türkischst­ämmigen Gemeinscha­ften in anderen Ländern zu instrument­alisieren, sagte Kurz der „Welt am Sonntag“. Einmischun­gen werde man keinesfall­s akzeptiere­n. Österreich gehört in der EU zu den lautstärks­ten Kritikern der Türkei und der Beitrittsv­erhandlung­en mit dem Land.

Kanzler Christian Kern (SPÖ) will sich unterdesse­n bei seinem spanischen Amtskolleg­en Mariano Rajoy dafür einsetzen, dass Akhanlı und der ebenfalls in Spanien festgenomm­ene türkisch-schwedisch­e Autor Hamza Yalcin nicht an die Türkei ausgeliefe­rt werden. Es sei „schon inakzeptab­el, dass Erdog˘an in der Türkei Menschenre­chtsaktivi­sten und Journalist­en verfolgt“, schrieb Kern auf seiner Facebook-Seite.

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APA
Erdog˘ an legte im Streit über seinen Aufruf zum Boykott bestimmter Parteien bei der deutschen Bundestags­wahl nach und griff Gabriel wegen dessen Kritik persönlich an APA

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