Der Autor im Zentrum politischen Streits
Wieso Dog˘ an Akhanlı (60) zum Spielball der türkischen Politik wurde.
Die Türkei will mich zum Schweigen bringen“, sagte Dog˘an Akhanlı dem „Spiegel“. Dass er sich sorgt, überrascht nicht. Am Samstag wurde er im Spanien-Urlaub plötzlich verhaftet. Grund: ein türkischer Suchauftrag bei der Interpol. Angeblich war der Autor vor 21 Jahren an einem Raubüberfall beteiligt. In dem, wie er stets festhielt, „politisch motivierten und konstruierten“Fall stand er bereits 2010 vor einem türkischen Gericht – und wurde freigesprochen. 2013 aber wurde das Urteil überraschend aufgehoben.
Der Freispruch war auf lange Sicht wohl nicht opportun. Denn Akhanlı ist aus türkischer Sicht ein Störenfried. 1975, als Student, saß er das erste Mal fünf Monate in Untersuchungshaft. Sein Vergehen: Er hatte eine linke Zeitschrift gekauft. 1985 bis 1987 war Akhanlı ein politischer Gefangener des Militärregimes, 1991 floh er nach Deutschland und erhielt Asyl. Längst ist er deutscher Staatsbürger.
Die Türkei hat ihn 1998 ausgebürgert. Aber er blieb ein Stachel im Fleisch der türkischen Politik: In Büchern wie „Die Richter des Jüngsten Gerichts“, 2007 im Klagenfurter Verlag Kitab erschienen, thematisiert er etwa den Völkermord an den Armeniern.
Im fortdauernden Zwist zwischen der Türkei und Deutschland ist so einer eine handliche Schachfigur. Seit Sonntag ist er wieder frei, muss aber für die Dauer seines Auslieferungsverfahrens in Spanien bleiben. Das wird wohl für ihn ausgehen. Und dann? Einschüchtern wird sich der 1957 geborene Literat nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung eher nicht lassen. „Mit 60 will ich auch nicht mehr schweigen“, lautete jüngst seine gut gelaunte Kampfansage in der ARD.