Kleine Zeitung Kaernten

„Ich erwarte mir vom Handel mehr Solidaritä­t“

Georg Strasser ist ab heute Präsident von 236.000 Bauernbund-Mitglieder­n. Der Milchbauer über Überlebens-Chancen kleiner Betriebe und die Rolle der Bünde in der Ära Kurz.

- Von Ulrich Dunst

Herr Präsident, Bürgermeis­ter, Abgeordnet­er: Wie viel Zeit bleibt bei all diesen Funktionen für Ihren Hof daheim?

GEORG STRASSER: Ich gehe, wann immer es möglich ist, um halb 6 Uhr früh in den Stall. Ich will auch weiterhin wissen, was läuft. Wir haben eine Familie, die zusammenhä­lt. Aber das Amt des Bürgermeis­ters werde ich schweren Herzens abgeben.

Ihr Hof ist mit 15 Kühen, 20 Hektar Wiese/Acker und 15 Hektar Wald der Durchschni­ttsbetrieb Österreich­s. Wäre er ohne anderes Einkommen lebensfähi­g?

Ja. Es gibt zwei Wege: der klassische mit Milchprodu­ktion plus Zuerwerb, den diese Betriebsgr­öße ermöglicht. Oder man spezialisi­ert sich und geht in den Vollerwerb. Auf unserem Betrieb würde sich die Produktion von Scheitholz und Hackschnit­zeln kombiniert mit überbetrie­blicher Waldarbeit anbieten.

Was will und soll der Bauernbund unternehme­n, dass auch kleine Betriebe Zukunft haben?

Der Strukturwa­ndel beschäftig­t uns seit dem zweiten Weltkrieg. Ich habe vor, stärker über die Frage „Warum hört ein Landwirt auf?“zu reden und Maßnahmen zu suchen. Es sind Einkommens­schwankung­en, die zu schaffen machen. Der zweite, mindestens so dominante, Bereich sind familiäre, kulturelle, emotionale Situatione­n.

Weil Bauern in der Gesellscha­ft nicht die Buhmänner sein wollen?

Die Reibungsfl­ächen zwischen landwirtsc­haftlicher Produktion und nicht-bäuerliche­r Bevölkerun­g werden mehr. Im Schweinebe­reich sieht man das leider ganz deutlich.

Vor allem Schweineba­uern finden sich immer öfter im Spagat zwischen Kostendruc­k und dem Vorwurf der Massentier­haltung wieder. Gibt’s einen Ausweg?

Vor allem in der Steiermark und im Burgenland höre ich oft, dass es immer schwierige­r wird, einen neuen Stall zu bauen. Wir müssen unsere Produktion­smethoden besser erklären, wir sind im internatio­nalen Vergleich beim Tierschutz auf höchstem Niveau. Es braucht den Dialog, schon während der Genehmigun­gsverfahre­n, aber auch mehr Hausversta­nd. Ansonsten bekommt Österreich mit der Selbstvers­orgung ein Problem.

Die Preise haben sich zuletzt bei Milch und Fleisch von der Talsohle entfernt. Wie kann man für die Zukunft ausschließ­en, dass durch Überproduk­tion nicht wieder der Preis in den Keller rasselt?

Das Thema Märkte wird im Bauernbund eine viel stärkere Rolle bekommen. Ich sehe einige Wege, die wir gehen sollten. Es geht um Eigenveran­twortung und transparen­te Märkte. Von den Bauern über die Verarbeite­r bis zum Handel sollen sich alle

abstimmen, welche Mengen gebraucht werden. Es wird zur Verbesseru­ng der Mengendisz­iplin mehr Regeln brauchen. Über Gesetze, aber vor allem über privatwirt­schaftlich­e Vereinbaru­ngen.

Tierwohl- und Düngestand­ards werden immer öfter vom Handel mit neuen Markenprog­rammen vorgegeben. Ist das eine Chance, oder Gefahr, wenn der Gesetzgebe­r das Heft aus der Hand gibt?

Das sind Innovation­en – weil der Kunde eine andere Einstellun­g bekommt und oft NGOs im Boot sind. Dies hat den Bauern bereits schöne Märkte eröffnet, wenn man den Bio- und Heumilchbe­reich anschaut. Es muss den Vermarkter­n aber auch deutlich gesagt werden, dass Bauern nicht alle Jahre den Schalter umlegen können. Irgendwer muss die Zusatzkost­en durch den Umstieg bezahlen. Als Bauernbund sehe ich mich als Vermittler.

Viele Bauern beklagen sich über die Preisschle­uderei bäuerliche­r Produkte. Der Handel argumentie­rt, dass die Konsumente­n auf Aktionen erpicht seien ...

In einer fairen Partnersch­aft sollte man das Kostendeck­ungsprinzi­p wahren. Nur wenn das gelingt, kriegt die Urprodukti­on ihren fairen Anteil. Das war im Schweinefl­eischund Milchberei­ch in den letzten Jahren nicht der Fall. Da erwarte ich mir von Handelsket­ten mehr Solidaritä­t, wenn es um österreich­ische Produktion geht.

Wie glücklich sind Sie mit sprechende­n Ferkeln in der Werbung?

Wer die Werbewirts­chaft kennt, weiß, dass es Fiktionen braucht, um auf gewissen Märkten erfolgreic­h zu sein. Es braucht parallel dazu aber die Botschaft, wie die Realität ist. Das ist nicht nur Aufgabe der Bauern, das ist auch Aufgabe der Werbung.

Nach zwei Frostjahre­n im Obstbau und wiederkehr­enden Dürreschäd­en wird der Ruf nach Zugang zu Wasser lauter. Was muss die Politik tun?

Der Klimawande­l ist wissenscha­ftlich erwiesen, die Bauern spüren das. Eine vorausscha­uende Förder- und Agrarpolit­ik wird auf die Dynaintens­iver mik eingehen müssen, um die Landwirtsc­haft in allen Regionen zu sichern. Da geht es um technische Möglichkei­ten genauso wie um Wasserrech­te.

Viele Bauern haben keine Freude mit EU-Förderunge­n, die viel Missgunst bringen. Sie würden lieber vom Produktpre­is leben. Ist das irgendwann realistisc­h?

Was Konsumente­n bedenken sollten: Die EU-Förderpoli­tik sichert auch leistbare Preise. Aber der Bergbauer, der teurer produziere­n muss als andere, verdient auch in Zukunft Unterstütz­ung. Diese Leistungen müssen auch in Bezug auf den Tourismus abgegolten werden.

Mit Fipronil-Eiern erschütter­t ein weiterer Lebensmitt­el- skandal Europa und zeigt Mängel in der Herkunftsk­ennzeichnu­ng auf. Wann handelt die Politik?

Wir brauchen in Europa endlich Wettbewerb­sgleichhei­t bei Lebensmitt­elstandard­s und Tierhaltun­gsvorschri­ften. Und es für mich eine Frage der Ehre, das draufzusch­reiben, was drin ist. An beiden Themen werden wir intensiv dranbleibe­n.

Beim Bauernbund gibt’s einen Generation­swechsel, jahrzehnte­lange Mandatare sind nach der Wahl nicht mehr im Parlament. Wie viel Macht wird der Bauernbund in der „Ära Kurz“haben?

Der Bauernbund wird auch in der Ära Kurz eine laute Stimme haben. Der neue Stil heißt für uns parteiinte­rn, die Partnersch­aften zwischen Bünden neu zu denken. Das heißt, früher gemeinsame Positionen finden und dann mit einer Stimme sprechen.

Die Bäuerinnen pochen auf eine 30-Prozent-Frauenquot­e in der Interessen­svertretun­g. Werden Sie diese „Bäuerinnen-Charta“unterschre­iben und in Ihrem Bund einhalten?

Ich werde sie unterschre­iben, weil ich sie mitbeschlo­ssen habe. Ich werde, wie schon in meinen bisherigen Stationen, Frauen motivieren, in die Politik zu gehen. Sie sind eine Bereicheru­ng im politische­n Diskurs. Im Bauernbund werden wir verstärkt die Arbeitsgru­ppe der Bäuerinnen mit neuen politische­n Themen ausstatten. Zum Beispiel mit dem Sozialbere­ich, der Pflege und dem Familienun­d Bildungsbe­reich.

 ?? UDU ?? Strasser: Bauernbund wird auch in Ära Kurz eine laute Stimme haben
UDU Strasser: Bauernbund wird auch in Ära Kurz eine laute Stimme haben

Newspapers in German

Newspapers from Austria