„Tatort – Virus“
Auf emotionaler Ebene dreht sich dieser Fall um Hysterie und die elementare Todesangst der Protagonisten. Was passiert mit Menschen, wenn sie mit einem tödlichen Virus konfrontiert sind, und das nicht über die Nachrichten, sondern konkret im eigenen Zuhause? Dazu das Thema Migration, das hier anders als so oft beim „Tatort“abseits der (Anti-)Klischeefalle abläuft. Wer einen Moral-Krimi befürchtet, darf beruhigt sein: Dieser facettenreiche Fall weicht dem geschickt aus.
Regisseurin Barbara Eder nutzt ihren ersten Fall als Bühne, um neben spektakulären, komparsenreichen Evakuierungsszenen eine Reihe interessanter Figuren zu entwickeln. Allen voran der undurchsichtige Dr. Reuss, für den mit Andreas Kiendl eine Idealbesetzung gefunden wurde. In der Hysterie dieser Pöllauer Fiktion kehrt Eder in einer oft düsteren Bildästhetik die extremen Gefühlsregungen ihrer Figuren hervor, die von ressentimentgeladenen Rassisten bis zu grotesken Nervenbündeln reichen.
Es ist ein Auswärtsspiel für das heimische Ermittler-Duo, nicht nur weil die Handlung in einem steirischen Dorf spielt, sondern auch, weil die sehr breite Thematik das lieb gewonnene „Zuckerbrot und Peitsche“-Spiel von Bibi und Moritz marginalisiert. Die Ausnahme ist die erste Szene, in der die beiden einen Nahkampf austragen, der frappant an ein Liebesspiel erinnert. Die Figuren werden heute aber nicht weiterentwickelt. Thomas Stipsits gibt als Manfred Schimpf wieder den Schreibtischtäter.
Die Grundkonstella- tion eines in die Idylle gepflanzten Katastrophenfilms ist hoch spannend. In dem oststeirischen Ort entsteht ein Mikrokosmos, in dem globale Probleme der Zeit verhandelt werden. In den chaotischen Ebola-Szenen bleibt aber manches unbefriedigend unerzählt oder wird nicht aufgelöst: viel Drama, wenig Krimi. Ein ungewöhnlicher Fall, über den man reden wird.
Ja. Nicht nur, weil „Tatort“-Freunde nach einem langen Sommer schon nach neuem Stoff lechzen. Diese Geschichte holt Ebola von Afrika nach Österreich und lässt den Zuseher nicht unbeteiligt, sondern fordert dazu auf, Stellung zu beziehen. Das lässt nicht locker. Erfrischend unüblich.