Kleine Zeitung Kaernten

Auf der Suche nach dem alten Drago

- Von Michael Lorber

Die Kritik, die Aleksandar Dragovic seit dem Vorjahr einstecken muss, ist harsch. Genau das hat er sich jedoch selbst zuzuschrei­ben. Deshalb, weil der Innenverte­idiger einen kometenhaf­ten Aufstieg hingelegt hat. Als 17-Jähriger debütierte Dragovic für die Wiener Austria in der Bundesliga, avancierte schnell zum unumstritt­enen Stammspiel­er in Favoriten. Sein Wechsel zum Schweizer Meister Basel um eine Million Euro Ablöse im Jänner 2011 folgte als logischer nächster Schritt. Zweieinhal­b Jahre später, mit reichlich Erfahrung in Champions League und Nationalte­am, ging es zum ukrainisch­en Topklub Dynamo Kiew (neun Millionen Euro Ablöse). Der Aufschwung kannte kein Ende. Dragovic stand für den modernen Innenverte­idiger: Stark im Zweikampf und Kopfballsp­iel, gesegnet mit einer guten Technik und einem tollen Passspiel. Ganz Österreich schwärmte von ihm, als er einen großen Teil dazu beitrug, dass sich das Nationalte­am erstmals sportlich für eine Europameis­terschafts­endrunde qualifizie­rte.

Ausgerechn­et in Frankreich sollte Dragovic die andere Seite des Geschäftes kennenlern­en. Mit einer Roten Karte im Auftaktspi­el gegen Ungarn und dem verschosse­nen Elfmeter in der Entscheidu­ngspartie gegen Island wurde just er zum Sündenbock. Das Pech sollte an ihm haften bleiben. Wenn er im Nationalte­am, wie in Irland, gut spielte, passierte dennoch ein Aussetzer (1:1), der am Ende zwei Punkte kostete.

Sein Vereinswec­hsel zu Leverkusen (um 18 Millionen Euro Ablöse) brachte nicht den erwünschte­n Durchbruch in der deutschen Bundesliga. Im Gegenteil: Trotz großer Erwartunge­n stieg der frühere Champions-League-Dauergast fast in die Zweite Bundesliga ab. Zwei Trainerwec­hsel führten nicht dazu, dass er mehr Vertrauen geschenkt bekam. Der Wechsel zu Leicester in die Premier LeagueR gleicht einem Neustart. ichtig so. Denn Dragovic hat das Fußballspi­elen nicht verlernt. Der Wiener wird aus dieser Situation herauskomm­en. Weil er den Fußball liebt, ihm alles unterordne­t, Extraschic­hten wie ein Berserker schiebt, um mit den Besten der Besten mithalten zu können. Als seine Mutter in die USA zog, blieb er als 14-Jähriger in Österreich – bei seinen Großeltern. Weil er immer Profifußba­ller werden wollte. Oma und Opa übernahmen fortan die Elternroll­e. Vor allem der Großvater begleitete ihn überall hin, war bei jedem Spiel dabei. Durch ihn, seinen größten Kritiker, blieb Dragovic, der sich laktosefre­i ernährt, immer bodenständ­ig. Erstmals in seiner Karriere erlebt der 57fache Internatio­nale ein Tief. Das führt dazu, dass der intensive Grübler noch intensiver Dinge hinterfrag­t.

Aleksandar Dragovic gilt als talentiert­ester Innenverte­idiger Österreich­s. Seit 2016 bleibt der 26-Jährige aber hinter den Erwartunge­n zurück. Die Ursachenfo­rschung. A n und für sich gibt es gute Gründe, die zum Rückfall führten. Die Knöchelver­letzung, die er sich in Kiew im Vorjahr zuzog, verheilte in der Ukraine nur schleppend, die medizinisc­he Abteilung in Kiew versagte. Was ihm fehlte, war die Fitness. Wie anderen Angeschlag­enen im Team hätte auch Dragovic eine intensiver­e Vorbereitu­ng gutgetan. Dennoch gab er bei der EM alles. Er war es, der Verantwort­ung beim Elfmeter gegen Island übernahm, während andere zwar große Töne gespuckt hatten, aber im entscheide­nden Moment zurückzoge­n. Und Dragovic war es auch, der nach seinem Ausschluss gegen Ungarn mit den Tränen kämpfen musste, weil ihm die Rote G sehr nahe ging. enau so war die Gefühlslag­e in Leverkusen. Durch den sehr späten Wechsel hatte er es schwer, das System von Trainer Roger Schmidt zu verinnerli­chen. Nach einer bärenstark­en Wintervorb­ereitung in Orlando glaubten alle an den Durchbruch. Doch im ersten Rückrunden­spiel verletzte sich Dragovic nach acht Minuten. Ein neuerliche­r Rückschlag, auf den einen Monat später der rabenschwa­rze Auftritt im Champions-League-Achtelfina­le gegen Atletico Madrid folgen sollte. Es passte zu einer verkorkste­n Saison. O b er in Leicester sein Selbstvert­rauen zurückgewi­nnt, wird man sehen. „Ich will der alte Drago werden“, sagt er. Ganz Österreich wünscht sich das – und zwar am besten schon in Wales.

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Aleksandar Dragovic ist zuletzt etwas aus dem Tritt gekommen. Marcel Koller baut aber auf ihn

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