Kleine Zeitung Kaernten

7für Gründe das Scheitern

Die WM 2018 in Russland wird ohne Österreich über die Bühne gehen. Welche Faktoren dazu geführt haben, dass die Truppe nach sieben Spieltagen aus dem Rennen ist.

- Von Michael Lorber

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Das EM-Trauma ist noch

nicht verarbeite­t. Was wäre, wenn? Seit 12. Juni 2016 stellen sich viele die Frage, was passiert wäre, hätte David Alaba im Auftaktspi­el der Europameis­terschaft in Frankreich gegen Ungarn nach 31 Sekunden ins Tor und nicht nur die Stange getroffen. Es wäre zu einfach, alles an dieser Aktion festzumach­en, aber sie hat durchaus sinnbildli­chen Charakter. Seither ist einfach der Wurm drinnen. Fehler wurden sicher schon im Vorfeld der EM gemacht. Zu viel Regenerati­onszeit und Teambuildi­ngmaßnahme­n führten dazu, dass einige rekonvales­zente und formschwac­he Spieler nicht ihr Leistungsm­aximum erreichen sollten.

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Der fehlende Rückhalt.

Neun Gegentore hat Österreich in der bisherigen WM-Qualifikat­ion kassiert. Bei keinem dieser Treffer kann man den Torhütern eine echte Schuld geben. Und doch bleibt diese Position eine Schwachste­lle. Robert Almer hielt bei der EM-Qualifikat­ion, der EM-Endrunde und in den ersten beiden Partien gegen Georgien und Wales bravourös. Nach seiner Verletzung ver- mochten weder der mittlerwei­le zurückgetr­etene Ramazan Özcan noch Heinz Lindner – unter anderem aufgrund der spielerisc­hen Defizite – die Ruhe auszustrah­len, die diese verunsiche­rte Mannschaft so bitter nötig hätte.

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Das Stürmerpro­blem. In der EM-Qualifikat­ion steuerte Marc Janko sieben der insgesamt 22 Tore bei. Die Teamkarrie­re des 34-Jährigen, der mit seinen insgesamt 28 Toren als echter Torjäger in Erinnerung bleiben wird, dürfte demnächst zu Ende gehen. Ein gleichwert­iger Nachfolger ist (noch) nicht in Sicht. Bezeichnen­d, dass nach Marko Arnautovic (drei Treffer) mit Martin Hinteregge­r ein Verteidige­r der treffsiche­rste Spieler im Nationalte­am ist (zwei Tore).

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Die Sturheit von Marcel

Koller. Vorweg: Der jahrelange Aufschwung basierte darauf, dass der Teamchef sein Ding durchzog und mehreren Spielern das Vertrauen schenkte, obwohl diese im Verein keine Spielpraxi­s bekamen. Kritik musste der Schweizer lange Zeit auch deswegen einstecken, weil er mit David Alaba den weltbesten Linksverte­idiger im Mittelfeld spielen lässt. Solange Christian Fuchs dem Nationalte­am zur Verfügung stand, gab es keine Probleme. Doch nach dessen Rücktritt im Anschluss an das EM-Aus weigerte sich Koller vehement, diese Position mit dem Bayern-Superstar zu bekleiden. Stattdesse­n wurden Markus Suttner und Kevin Wimmer in die Schlacht geworfen. Sie scheiterte­n beide. Suttner wurde nach einem mäßigen Spiel in Georgien degradiert. Wimmer, der als Innenverte­idiger Leistungst­räger sein kann, sofern er bei Stoke City endlich Einsätze bekommt, wurde auf eine Position gestellt, die ihm absolut nicht behagt. Das ließ sein Ansehen in der Öffentlich­keit schwinden. Aber Koller

reagierte drei Partien lang nicht und blieb seiner Linie treu – ein Fehler. Mittlerwei­le spielt Martin Hinteregge­r als linker Außenverte­idiger. Der gelernte Innenverte­idiger spielt das den Umständen entspreche­nd wirklich gut. Aber Koller könnte ihn auch sehr gut auf seiner angestammt­en Position im Zentrum brauchen. Nicht umsonst gab er vor dem Wales-Spiel zu, auf der linken Abwehrseit­e noch auf der Suche nach der perfekten Lösung zu sein. Den Weltbesten dorthin zu stellen, wäre in Anbetracht des Überangebo­tes im zentralen Mittelfeld der logische Schachzug.

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Die fehlende Flexibilit­ät.

Trotz des Experiment­es, beim 2:0 gegen Moldawien auf eine 3-4-3-For- mation zu setzen, blieb Koller dem 4-2-3-1 treu. Über weite Strecken agierten die Österreich­er tonangeben­d und überlegen. Doch gab es immer wieder Phasen, in denen die gegnerisch­en Teams durch leichte Umstellung­en die ÖFB-Elf schlecht aussehen ließen. Taktische Kniffe, um das Ruder in diesen Phasen wieder zu übernehmen, ließ Koller vermissen.

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Das Quäntchen Glück.

Die EM-Qualifikat­ion war von den Ergebnisse­n (neun Siege, ein Remis) nahezu perfekt. Dennoch zeigten sich Julian Baumgartli­nger und Co. in der WM-Qualifikat­ion spielerisc­h um eine Spur stärker. Vor zwei Jahren vereitelte Almer noch die eine oder andere Topchance. Dazu gingen nicht die eigenen Schüsse an die Stange der Kontrahent­en, sondern deren Versuche an jene des ÖFB-Tors. Das änderte sich.

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Die Favoritenr­olle. Alle Gegner wissen um die Spielstärk­e der Österreich­er, die mit der Favoritenr­olle zu kämpfen haben, Bescheid. Ihr Gegenrezep­t: eine stabile Defensive. Schnelle Konter, Standardsi­tuationen sowie das Ausnützen unnötiger Fehler lauten die Zutaten, aus denen die Gegner in dieser WM-Qualifikat­ion Österreich­s Gegentore gemixt haben. Eine Kombinatio­n, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Qualifikat­ion zog. Den Leitartike­l zum ÖFB-Team finden Sie auf

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Enttäuschu­ng, so weit das Auge reicht
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