Single-Alltag: Trautes Heim, Glück allein?
Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte nimmt europaweit stark zu. Auch in Österreich. Die Freiheit des Alleinseins hat aber Schatten.
Die Zweisamkeit beklatschende Sinnsprüche genießen vor allem rund um Hochzeiten erhöhte Nachfrage. Im wirklichen Leben aber relativiert sich vieles.
Zwar hat der Anteil der von Paaren bewohnten Haushalte laut Statistik Austria seit 1986 tatsächlich zugenommen (siehe Grafik rechts). Während aber die aufrecht gemeldeten Ehen ohne Kind nur marginal mehr geworden sind, jene mit Kind sogar abgenommen haben und auch die Hochzeiten von 45.821 (1986) auf 44.890 (2016) zurückgegangen sind, haben sich die Lebensgemeinschaften ohne Trauschein – mit und ohne Kind – in Absolutzahlen fast verfünffacht. Diesbezüglich bestätigt sich die These von Caroline Erb also. Die Psychologin stellt eine anhaltende Sehnsucht nach einer stabilen Partnerschaft sowohl bei Frauen als auch Männern fest.
Eine wachsende Zahl an Singles konterkariert aber die diagnostizierte Duett-Sehnsucht. Selbst wenn die Wohnform keine seriöse Auskunft über den Beziehungsstatus gibt, lässt sich dieser Trend am in den vergangenen 40 Jahren „explodierten“Anteil an Singlehaushalten ablesen. Nicht nur in Östernernd: EU-weit ist laut einer aktuellen Eurostat-Studie der EinPersonen-Haushalt mit 33 Prozent aller 220 Millionen Haushalte mittlerweile die häufigste Wohnform vor Paarhaushalten ohne Kind (25 Prozent) beziehungsweise mit Kind (20 Prozent).
Diese Tendenz
zum Solisten-Dasein hat mehrere Gründe. Soziologen führen die zunehmende Individualisierung in allen Segmenten unseres Alltags ins Treffen. Lebensläufe sind unsteter, gesellschaftlich tradierte Verhaltensmuster durchlässiger, Familienbilder bunter geworden. Alles ist möglich.
Es ist kein Makel mehr, geschieden zu sein: Die Scheidungsrate in Österreich ist von 29 (1986) auf 40 Prozent (2016) gestiegen. Es ist kein Muss mehr, den Weg zum Traualtar als soziales Sicherheitsnetz zu wählen: Der Durchschnittsverdienst der Frauen liegt zwar immer noch beschämend deutlich unter jenem der Männer, der Unterschied ist in den letzten Jahren aber – zumindest minimal – kleiner geworden.
Und auch wenn Vermittlungsagenturen und DatingPlattformen, Partnersuch-Apps und Singletreffs boomen, steht dem Harmoniehunger laut Experten manchmal auch pragmatische Kompromissbereitschaft oder plumper Karrierehunger im Weg. So wird das Singleleben zur Antwort auf die zunehmend schwieriger werdende Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ein Lebensmodell, das aber mit Mehrkosten verbunden ist, zumindest wenn man es in ein stures Verhältnismodell herunterrechnet. Vom Wohnraum bis zu Lebensmitteln, von der Miete bis zur Kühlschrankbefüllung gilt verallgemeireich. Zu zweit sinken die ProKopf-Kosten, da braucht es erst gar keine großzügigen Familienrabatte und Mengendiskonte.
Der Lebensmittelhandel
weiß um die Kritik, verweist aber auf annähernd gleich hohe Verpackungsund Logistikkosten – egal ob das Milchpackerl einen halben oder einen Liter fasst. Man kennt jedoch auch die Brüchigkeit dieser Argumentationskette und tröstet die SoloKonsumenten, dass ein Körberlgeld durch tatsächlich überteuerte Preise aufgrund des Konkurrenzdrucks ohnehin nicht möglich wäre.
Ein schwacher Trost wie auch die Stammtischweisheit, dass das Leben im Ein-PersonenHaushalt zumindest den Vorteil hat, dass klar ist, wer der/die Chef/-in im Haus ist. Mit Augenzwinkern zitieren selbst Singles diesbezüglich Friedrich Schillers Wilhelm Tell: „Der Starke ist am mächtigsten allein.“
Soziologen sind indes längst dem nächsten Beziehungsstatus auf der Spur: „Mingles“– eine Kombination aus „mixed“und „Single“, eine Art Miteinander auf Abruf also, bei der jeder die Vorzüge einer Partnerschaft genießt, aber keine Verpflichtungen eingeht. Die Zahl der Singlehaushalte wird das nicht senken.