Europäisches Panorama
Robert Menasse, heute im Literaturhaus Graz, steht wie Franzobel auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Zwei österreichische Autoren dürfen sich Chancen auf den Deutschen Buchpreis ausrechnen: Robert Menasses mit „Die Hauptstadt“und Franzobel, der morgen den Nicolas-Born-Preis erhält, mit „Das Floß der Medusa“. Auf die Shortlist haben es auch die deutschen Schriftsteller Marion Poschmann („Die Kieferninseln“), Thomas Lehr („Schlafende Sonne“), Gerhard Falkner („Romeo oder Julia“) und Sasha Marianna Salzmann („Außer sich“) geschafft. Preisvergabe ist am 9. Oktober in Frankfurt.
Menasse taucht in „Die Hauptstadt“, auch für den Österreichischen Buchpreis nominiert, tief in die Brüsseler EU-Institutionen ein. Im Zentrum des Romans stehen unterschiedliche Protagonisten, die doch im Kern eint, an der Zukunft Europas zu arbeiten – als Karrieristen oder als Idealisten. Der 62-jährige Wiener spannt ein Gerüst über die Geister der Vergangenheit und der Zukunft, über persönliche Empfindungen hin zum großen Ganzen. Eine leise Kakofonie entsteht vor den Augen des Lesers, die gerahmt wird von ebenso leiser Ironie. So wird Brüssel als surreale Klammer von den wiederholten Sichtungen eines Hausschweins in der Stadt in Atem gehalten. Und die EPP, die European People’s Party im EUParlament, versucht, sich ihr Akronym zu sichern, auf das auch die European Pig Producer, also die vereinigten Schweinezüchter, Anspruch erheben. In wenigen Strichen zeichnet Menasse markante, eigenständige Charaktere, Menschen aus Fleisch und Blut. „Er täuschte Begehren vor, sie täuschte einen Orgasmus vor. Die Chemie stimmte“, umreißt in zwei Sätzen die Dynamik einer Beziehung.