Euphorie
Heute wird die weltgrößte Automesse in Frankfurt eröffnet. Dort will die gebeutelte deutsche Autoindustrie mit einer ElektroOffensive zum Befreiungsschlag ausholen.
Die Manipulation an der eingesetzten Software hat es gegeben“– dieser Satz hat Industriegeschichte geschrieben. Vor fast exakt zwei Jahren, am 20. September 2015, legte der Volkswagen-Konzern dieses öffentliche Geständnis ab. Der Dieselskandal nahm im Rekordtempo Fahrt auf. Als ExVolkswagen-Boss Martin Winterkorn wenige Tage zuvor, als 2015 die bisher letzte Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) über die Bühne ging, den technologischen Wandel der gesamten Autobranche beschwor, deutete noch nichts auf ein Erdbeben dieser Tragweite hin.
Mit dem technologischen Wandel sollte Winterkorn freilich recht behalten. Der Skandal, der mittlerweile auch andere Hersteller in Atem hält, hat die Notwendigkeit dieses Wandels sogar noch verdeutlicht. Und wohl auch beschleunigt.
Zwei Jahre nach Ausbruch dieser fundamentalen Krise öffnen heute die Tore zur IAA 2017. Auch die traditionell so enge Beziehung zwischen Autoindustrie und deutscher Politik hat tiefe Kratzer erlitten. Die deutsche Kanzlerin, die heute IAA offiziell eröffnen wird, hat den Autobossen schon im Vorfeld wiederholt ins Gewissen geredet. „Es ist erhebliches Vertrauen missbraucht worden. Das wird auch nachwirken bei uns als Politikern.“Immer mehr Kunden machen – auch wegen drohender Fahrverbote in einigen deutschen Städten – einen Bogen um den Diesel.
Der Druck auf die deutsche Autoindustrie, saubere Antriebe zu entwickeln, ist enorm – zumal die Konkurrenz im Ausland Gang um Gang höherschaltet und inzwischen selbst in China, dem größten Automarkt der Welt, laut über ein mittel- bis langfristiges Verbot von Verbrennungsmotoren nachgedacht wird.
Kein Wunder also, dass auf der weltgrößten Automobilmesse heuer alles im Zeichen der Elektrifizierung steht. Es ist der endgültige Startschuss zum Offensivschlag gegen die kalifornische „Albtraumfirma“Tesla, die Audi, Mercedes & Co. zuletzt regelrecht vorgeführt hat. In Abwesenheit der US-Marke, die Frankfurt wie einige andere Marken auch nicht mehr als Bühne für die Mobilität von morgen sieht, versuchen die deutschen Konzernchefs, sich bei ihrem Heimspiel mit markigen Ankündigungen gegenseitig zu übertrumpfen. „Wir werden die Revolution in unserer Industrie anführen“, betonte etwa Volkswagen-Chef Matthias Müller am Konzernabend vor der Eröffnung. Bis 2030 sollen die Investitionen von Eurodie pas größtem Autobauer in die Elektromobilität auf mehr als 20 Milliarden Euro verdoppelt werden. Bis 2025 sollen die VWKonzernmarken mehr als 80 neue Elektromodelle auf den Markt bringen, darunter rund 50 rein batteriebetriebene Fahrzeuge und 30 Plug-in-Hybride.