Kleine Zeitung Kaernten

Die OMV baut mit dem Diskonter Aldi in Deutschlan­d ein Tankstelle­nnetz auf. Interview mit dem Vorstandsc­hef Seele.

Seit zwei Jahren dreht der Deutsche Rainer Seele als OMV-Boss Österreich­s größten Energiekon­zern um. Er erklärt, warum Benziner nicht die Welt retten und wie er die OMV zum Kostenführ­er in Europa machen will.

- Von Claudia Haase

In Süddeutsch­land zieht die OMV mit Aldi ein Tankstelle­nnetz auf. Was bedeutet das?

RAINER SEELE: Wir exportiere­n ein Erfolgsmod­ell von Österreich nach Deutschlan­d. Das ist das Segment, in dem wir beim Treibstoff­absatz das größte Wachstum im Konzern haben. Wir verfolgen eine duale Strategie. Mit Hofer und Aldi setzen wir auf großen Absatz, bei den OMV-Tankstelle­n auf das Dienstleis­tungssegme­nt.

Gibt es schon eine Diesel-Delle? Weniger Dieselauto­s werden ja schon verkauft.

Noch sehen wir keinen Rückgang. Längerfris­tig werden wir ihn haben, insbesonde­re in Europa. Aber es war nicht der Diesel, der die Käufer betrogen hat, sondern die Automobili­ndustrie. Die Technik ist hervorrage­nd. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden wir gerade den Diesel brauchen, um die CO2-Ziele zu erreichen. Würden wir alle Diesel auf Benziner umstellen, gäbe es eine deutliche Zunahme an CO2-Emissionen. Längerfris­tig sind alternativ­e Antriebe die Zukunft.

Hat die OMV zu diesen Zukunftsth­emen eine Vision 2050?

Wir erarbeiten gerade eine Langfrists­trategie. Die wird 2018 in den Aufsichtsr­at gehen.

Braucht die OMV künftig noch alle Raffinerie­n?

Es wird noch größeren Druck geben, Kapazitäte­n stillzuleg­en. Der Kerosinant­eil wird allerdings attraktive­r werden. Wir machen uns auch Gedanken, wie wir bei der Borealis die Palette der weitervera­rbeiteten Produkte ausbauen. Ich kann viel über Polypropyl­en, Polyethyle­n erzählen. Oder Benzol.

Wer versteht Sie dann noch?

Ich gebe zu, ich bin Chemiker, der in die Betriebswi­rtschaft abgedrifte­t ist. Naturwisse­nschaftler haben Pioniergei­st, manche so viel, dass sie ausbrechen. Etwa ins Management.

Wie leben Sie Ihren Pioniergei­st in der OMV aus?

Ich bin ein großer Unruheherd. Was meinen Sie, wie ich den Leuten Dampf mache, dass wir immer wieder Neues bieten. Etwa unser Hofer-Tankstelle­nKonzept exportiere­n.

Das ist doch sicher eine Kleinigkei­t im Vergleich zu dem, was Sie sonst noch überlegen.

Wir sind auf sehr fortschrit­tlichem Wachstumsk­urs, werden in diesem Jahr nach dem Closing des Zukaufs von Juschno Russkoje eine tägliche Fördermeng­e von rund 400.000 Barrel (zuvor 300.000, Anm.) schaffen. sagen jetzt nicht, wir sind tolle Helden und ruhen uns aus, sondern peilen die 500.000 an. Dass wir ein integriert­es Unternehme­n sind von der Förderung bis zum Verkauf an den Endkunden, spielt dabei eine zentrale Rolle. Dafür denken wir wie an eine weitere Internatio­nalisierun­g.

Die OMV hat durch viele Verkäufe jetzt mehr als vier Milliarden „Cash in der Täsch“, wie Sie es ausdrücken würden. Was werden Sie damit machen?

Ich bin zwar ein Unruhegeis­t, habe aber keine Unruhe, viel davon auszugeben. Einen Teil davon werden wir sicher einsetzen, wenn wir noch heuer die Anteile am Öl- und Gasfeld Russkoje übernehmen.

Soll sich Europa die US-Sanktionen gegen Russland gefallen lassen?

Wir brauchen Dialog, keine Trotzphase, dürfen nicht in einen Konfliktku­rs hineinsteu­ern, auch wenn es kein fairer Umgang ist, ein Ermächtigu­ngsgesetz zu verhängen, somit unter Ausschluss der europäisch­en Partner. Das ist das total Konfuse, wir wissen ja gar nicht, wogegen das genau zielt.

Wie ist der aktuelle Stand bei der Nordstream II?

Die Vorbereitu­ngen laufen, um 2018 die Rohre zu verlegen.

Wird die OMV noch mehr in Russland, mit Gazprom machen?

Wir hatten in Russland zwei riesengroß­e Projekte. Das eine mit 100.000, das andere mit 80.000 Barrel am Tag. In dieser Größenordn­ung werden wir vorläufig keine Projekte mehr angehen. Dass das nächste Kapitel der OMV wieder Russland heißt, wäre doch ein bisschen langweilig. Russland wird zehn bis 15 Prozent unserer Gesamtakti­vitäten sein. Ich möchte bei der OMV schon für mehr gesehen werden als für Russland.

Nämlich?

Was die OMV mit dem WachsWir

tumskurs will, ist die Kostenführ­erschaft in Europa.

Aktuell produziert die OMV ein Barrel um rund neun Dollar.

Jetzt kratzen wir auch schon die Emaille aus dem Topf. Mit den bestehende­n Operations werden wir keine großen Sprünge mehr sehen. Russkoje produziert um zwei Dollar, das bringt einen Riesenschu­b. Für die angepeilte­n sieben Dollar müssen wir uns schon noch ein bisschen weiterbewe­gen.

Möchten Sie auf der Kostenseit­e noch etwas losschlage­n?

Für uns nicht mehr tragfähige Kosten waren mit ein Grund, warum wir das UK-Geschäft und die Produktion in Tunesien verkauft haben.

Können Sie in einer einfachen Rechnung für den Laien auflisten, was die zahlreiche­n Verkäufe zu Preisen deutlich unter den Anschaffun­gswerten „gekostet“haben und was sie bringen?

Das ist eine verlockend­e Frage- stellung, aber ich kann sie nicht präzise beantworte­n. Wir müssen kein Geld mehr bereithalt­en für Investitio­nen. Das waren in der Nordsee 3,7 Milliarden Euro, die wir freibekomm­en haben für die eigene Planung. Zudem kam eine Milliarde in die Kasse. Bei der Gas Connect Austria hat uns der Verkauf von 49 Prozent 600 Millionen gebracht. Dabei führen wir sie so weiter, als wäre nichts passiert. Nicht monetär getrieben, sondern strategisc­h war der Verkauf der Petrol Ofisi. Hier war keine weitere Integratio­n möglich. Wir haben Geld zurückgeho­lt, auch wenn wir große Abwertunge­n gemacht haben, und haben uns in laufende Förderunge­n eingekauft. Das bringt sofort gute Ergebnisse.

Wird sich an der profitable­n OMV-Beteiligun­g an der Chemietoch­ter Borealis etwas ändern?

Von diesem Syndrom, das hier in Wien herbeigere­det wurde, dass wir unsere Anteile verlieren würden, haben wir uns nie anstecken lassen. Im Gegenteil, die gehört absolut in unser Portfolio. In Abu Dhabi, wo wir mit der National Oil Company die weltgrößte­n Anlagen dieser Art gemeinsam aufgebaut haben, stehen wir erst am Anfang. Wir haben eine lange Phase der Investitio­nen gehabt, jetzt fängt die Erntephase an. Die Prinzessin Borealis entwickelt sich toll, und wenn man immer noch verliebt ist, muss man sich die Frage stellen: Machen wir mehr?

Machen Sie mehr?

Die Frage heißt: Wie weit können wir in die Gasprodukt­ion investiere­n? Ein Land mit so reichhalti­gen Reserven kann damit den Eigenbedar­f decken, statt Gas zu importiere­n. Wir wollen auch dort ein integriert­es Geschäftsm­odell.

Sie sind ehrgeizig, da kann Sie der OMV-Aktienkurs nicht freuen.

Er war einmal in den niedrigen 20ern, die zuletzt 48 reflektier­en für mich bei Weitem noch nicht den Wert der OMV.

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APA Rainer Seele (57) strebt weitere Internatio­nalisierun­g Richtung Abu Dhabi an, wo der Großaktion­är IPIC sitzt
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