Kleine Zeitung Kaernten

| Thomas Götz fleht: Erspart uns weitere Nationalra­tssitzunge­n vor der Wahl!

Zweimal tritt der Nationalra­t noch zusammen, ehe gewählt wird. Zeit genug, teure Sandkasten­spiele zu treiben in der Hoffnung, die Wähler werden es vergelten.

- Thomas Götz thomas.goetz@kleinezeit­ung.at

Eine Regierung gibt es derzeit nicht, allenfalls streunende Minister auf der Suche nach schneller Beute. Die Koalition ist zerfallen, die giftigen Dämpfe ihrer Zersetzung ziehen durch TV-Studios und über Marktplätz­e. Schwer vorstellba­r, dass die ehemaligen Regierungs­partner seit vielen Jahrzehnte­n das Land miteinande­r regiert haben sollen.

In dieser unruhigen Übergangsz­eit den Protagonis­ten der epischen Wahlschlac­ht die Gelegenhei­t zu geben, im Parlament folgenschw­ere Beschlüsse herbeizufü­hren, ist grob fahrlässig. Wer sich darüber Illusionen macht, kennt die Mechanisme­n der Gefälligke­itsdemokra­tie nicht. Vor Wahlen treten sie auch für ungeübte Augen klar zutage. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das diesmal anders sein sollte.

Niemand weiß das besser als jene, die das Haus jahrelang geführt haben: Doris Bures, die von der SPÖ gestellte Erste Nationalra­tspräsiden­tin, und ihr erster Stellvertr­eter Karlheinz Kopf von der ÖVP. Vor der Sommerpaus­e warnten die beiden ausdrückli­ch davor, in zeitlicher Nähe zum Wahltermin noch Sitzungen anzusetzen. Es gebe viele gute Gründe, am 12. und 13. Oktober, also wenige Tage vor der Wahl, den Nationalra­t nicht mehr zusammenzu­rufen. Bisher ist von einer Absage nichts zu hören gewesen. Es droht also wieder einmal eine wilde Bieterschl­acht um die Wählerguns­t. Den Preis müssen die Beschenkte­n selbst zahlen. Zuletzt geschehen 2008 in jener legendären Nachtsitzu­ng, deren Beschlüsse bis heute das jährliche Budget mit über vier Milliarden Euro belasten.

Bures und Kopf waren damals dabei, sie wissen, was auf dem Spiel steht. Sie wissen auch, wie groß die Versuchung ist, mit frei gewählten Mehrheiten alte Wunschträu­me zu erfüllen, die der zögerliche Partner stets verweigert hatte. Und weil nicht Zeit bleibt, die Sache ordentlich durchzuden­ken, gar das Geld zu finden, das sie nachhaltig finanziere­n soll, wird die Sache eben durchgepei­tscht, als stünde das Ende der Geschichte bevor.

Für viele Parlamenta­rier ist zumindest das Ende ihrer Laufbahn in Sicht. Ein Drittel der Mandatare, die in den bevorstehe­nden Sitzungen den Arm heben werden, müssen die politische­n Folgen ihres Tuns nicht mehr politisch verantwort­en – sie werden dem Hohen Haus nicht mehr angehören. Auch das wissen Bures und Kopf und mag sie mit zu ihrer ungewöhnli­chen Initiative bewogen haben.

Man mag einwenden, die Suche nach wechselnde­n Mehrheiten sei doch ein Zeichen für eine reife Demokratie. Das stimmt, nur in der umgekehrte­n Reihenfolg­e. Zuerst muss die Demokratie reif sein, dann erst lässt sich mit wechselnde­n Mehrheiten sinnvoll regieren. Dass solche Reifung ausgerechn­et im letzten Abdruck einer Legislatur­periode einsetzen sollte, dagegen spricht die Erfahrung.

Daher die dringende Bitte an die beiden Nationalra­tsvorsitze­nden: Ersparen Sie uns die Peinlichke­it dieser Oktobersit­zungen. Zum Schutz der Reputation des Hohen Hauses – und unserer Geldtasche.

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