Wenn das Parlament zum Basar wird
Die Parteien überbieten sich mit Ideen, die noch vor der Wahl beschlossen werden sollen. Heute Ministerrat und Nationalrat.
Zyniker würden wohl meinen, dass der 24. September 2008 als Sternstunde des Parlamentarismus in die Geschichten eingehen wird. Andere sprechen von einem Sündenfall. Vier Tage vor der Nationalratswahl wurden Wahlzuckerln en masse verteilt, in einer Marathonsitzung Milliarden unter das Volk gebracht. Beschlossen wurden damals mit wechselnden Mehrheiten etwa die Abschaffung der Studiengebühren, die Erhöhung des Pflegegeldes, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente oder die Verlängerung der Hacklerregelung. Letztere übrigens doppelt, was später im Bundesrat korrigiert wurde. Laut Finanzministerium kosten die damaligen Beschlüsse noch heute jährlich rund 4,3 Milliarden Euro.
Droht 2017 ein Déjà-vu? Gelegenheit dazu hätten die Parteien. Zwei Parlamentssitzungen stehen noch an: am heutigen Mittwoch und am 12. Oktober, drei Tage vor der Nationalratswahl. Die heutige Sitzung beginnt um 9 Uhr mit einer Aktuellen Stunde zu den Themen direkte Demokratie und Ceta/ TTIP, danach geht es in einer Aktuellen Europastunde um ein Verbot des möglicher- weise krebserregenden Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Letzteres wird auch Thema im schon ab 8 Uhr tagenden Ministerrat sein. Da will die SPÖ zudem eine Vorlage zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten einbringen, wie sie auch die ÖVP in ihrem Wahlprogramm fordert. Beschlossen werden könnte das dann am 12. Oktober. Die SPÖ will auch ein Verbot von Bankomatgebühren, die ÖVP den Erhalt von Bargeld in der Verfassung verankern.
Der ÖVP-Klub will keine Beschlüsse gegen den Noch-Koalitionspartner fassen, die SPÖ setzt hingegen auf das „freie Spiel der Kräfte“. Bis zuletzt wurde gefeilscht. Einig sind sich die beiden bei der stärkeren Anhebung von kleinen Pensionen. Im Parlament liegt ein SPÖ-Vorschlag zum Thema Mietrecht (siehe Seiten 4/5). Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) bringt zudem ein Gesetz ein, das Gruppenklagen von Konsumenten ermöglichen soll. Unterstützung kommt hier von den Grünen. Diese haben auch eine Dringliche Anfrage zum Thema Parteienfinanzierung angekündigt. Die FPÖ fordert, dass die ÖVP bei der Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelnächtigungen mitzieht. Für das umstrittene Sicherheitspaket wird die ÖVP keine Zustimmung erhalten.