Kleine Zeitung Kaernten

Was heißt „Sei ein Mann“?

Geschlecht­erfragen können bei Nationalra­tswahlen wohl kaum überzeugen­de Wahlargume­nte sein.

- Carina Kerschbaum­er carina.kerschbaum­er@kleinezeit­ung.at

Eine Grün-Wählerin ärgert sich derzeit über den Slogan ihrer eigenen Partei. Im Grunde ist es mehr als Ärger. Der Aufruf der Grünen „Sei ein Mann: Wähl eine Frau“sei, meint sie, weder witzig noch provokant, er sei „völlig daneben“. Immerhin hätten die Grünen wirklich gute Argumente auf ihrer Seite, könnten mit sozialem Engagement aufwarten, seien weit glaubwürdi­ger als andere Parteien, würden sich im Vergleich zu anderen nicht nach dem jeweiligen Meinungswi­nd drehen und, und, und. die Frage, was sich die Grünen da wirklich gedacht haben. Man soll die Stimme deshalb einer Partei geben, weil die Nummer eins Busen und Gebärmutte­r aufweist und nicht dem männlichen Geschlecht angehört? Und was heißt „Sei ein Mann“? Da wird Mann of- fensichtli­ch mit Mut gleichgese­tzt: „Du bist ein Mann und daher mutig und deshalb trau dich.“Womit sich manche Feministin fragen wird, ob da wieder kräftig das Stereotyp Frau = lieb + sanft und Mann = mutig + durchsetzu­ngsfähig bemüht wird. Und was ist mit Frauen? Folgt der Spruch „Sei eine Frau: Wähl eine Frau“in einer zweiten Kampagne? Als ob sich jemand bei einer Nationalra­tswahl einer Geschlecht­erhaftung unterwerfe­n würde. Wer Erbschafts­steuern ablehnt, wird nicht wegen einer weibliBlei­bt chen Spitzenkan­didatin die Grünen wählen, die Erbschafts­steuern fordern. Wer für die Deckelung der Mindestsic­herung eintritt, ebenfalls nicht.

Geschlecht­ersolidari­tät gab es bekanntlic­h nicht einmal bei der Bundespräs­identenwah­l, die sich im Gegensatz zu Nationalra­tswahlen noch eher dafür geeignet hätte. Aber bei der Bundespräs­identenwah­l ist es keiner Grünen/keinem Grünen eingefalle­n, österreich­weit aufzurufen: „Sei ein Mann: Wähl eine Frau!“, oder: „Sei eine Frau: Wähl auch eine Frau!“

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