Wenn der Computer das Lenkrad überflüssig macht
Selbstfahrende Autos werden immer ausgereifter. Mit dem Alp.Lab entsteht in Österreich eine einzigartige Test-Infrastruktur.
Rund 130 km/h auf der A2, die Hände des Fahrers liegen nicht am Lenkrad des Mercedes E-Klasse 63 AMG, sondern auf den Oberschenkeln. Eigentlich sollten jetzt alle innerlichen Alarmglocken schrillen, doch ein Gefühl der Sicherheit macht sich breit, ein Vertrauen in die Technologie, ins autonome Fahren.
Seit Dezember werden computergesteuerte Autos auf der A 2 zwischen Graz-West und Laßnitzhöhe getestet. Im Alp.Labs wurden nun Kompetenzen von Magna, AVL List, Virtual Vehicle, TU Graz und Joanneum Research gebündelt. Durch die Beteiligung an Joanneum Research ist auch das Land Kärnten bei der Gesellschaft mit an Bord. Bei Alp.Labs sollen gesammelte Daten zusammenlaufen und in einer Cloud verarbeitet werden. Das Infrastrukturministerium unterstützt das Projekt mit 5,6 Millionen Euro.
Geschäftsführer Thomas Zach rechnet damit, dass es in etwa ein Jahr dauern werde, bis die nötige Infrastruktur aufgebaut ist. Ab dann stehe man als Servicepartner für Gesellschafter und externe Kunden zur Verfügung.
Die Asfinag
ist einer der externen Partner. Sie hat auf der Teststrecke Kameras und Radarsensoren installiert. So wird beobachtet, wie andere Autofahrer auf das autonome Fahr- zeug reagieren. Wie penibel sich die Roboter-Autos an Verkehrsregeln halten, merkt man beim Wechsel auf die rechte Spur, für den man nur den Blinker betätigen muss: Das Auto bremst ab und hält den exakten Sicherheitsabstand zum davor fahrenden Lkw. Darin sieht die Asfinag eine künftige Stau-Ursache. Denn während Menschen bei dichtem Verkehr den Abstand verkürzen, bleibt der Automat stur bei den Vorgaben.
Doch keine Sorge: Auch wenn die Tests nun intensiviert werden, werden auch in geraumer Zukunft regelgetreue Computerautos nicht die A2 verstopfen. Denn viele Situationen werden simuliert. Dafür wurde der gesamte Bereich vom Joanneum Research mit Kamera und Radar-Technik 3-dimensional erfasst. Selbst der Verkehrsfluss kann dank der Aufnahmen der Asfinag nachgebildet werden. Bei jeder Ausfahrt sammelt mit dem autonomen BMW 540i tausende Gigabyte an Daten, um die virtuelle Autobahn zu verbessern. So kann jedes Steuergerät, jeder Sensor ausgiebig getestet werden, erst am Computer und dann in Prüfständen der AVL an echten Autos. Wenn alles funktioniert, muss sich das System noch auf der Teststrecke bewähren. Erst dann geht es in den Verkehr.
„Das ist der Vorteil des Alp.Labs“, sagt Zach. Durch die Anbindung an Partner und den Mobilitätscluster ACStyria könne man von Simulation bis zum Test auf echten Straßen die ganze Palette bieten. Er selbst freut sich bereits auf ausgereifte autonome Systeme: „Ich pendle nach Graz. Auf der Autobahn würde ich dem Auto schon die Steuerung überlassen.“
Alp.Laps arbeitet
auch an bestehenden Technologien. In aktuellen Autos gibt es viele teilauMagna tonome Systeme. Wie gut diese funktionieren zeigt der Notbremsassistent eines VW Passat: Bei 45 km/h steigt das Auto auf der Magna-Teststrecke vor einem Hindernis in die Eisen und strafft die Gurte. Bei den Insassen bleibt ein Schrecken zurück und die Hoffnung, das Feature nie zu brauchen. Der Notbremsassistent ist inzwischen Teil des Euro NCAP Crashtests. Doch das System hat Grenzen. Je sensibler die Sensoren, um so mehr „Fehlbremsungen“gibt es. Die Technologie muss daher so weiterentwickelt werden, dass ein Auto zweifelsfrei zwischen Kleinkind und Hund unterscheiden kann. Denn die Akzeptanz von autonomen Autos steht und fällt mit deren Zuverlässigkeit.