Kleine Zeitung Kaernten

Sind wir Österreich­er ein unfreundli­ches Volk?

Ausländer, die hier für fremde Firmen arbeiten, finden nur schwer Zugang zu Land und Leuten. Das ergab eine weltweite Studie. Nur Kuwait schnitt in puncto Gastfreund­lichkeit noch schlechter ab. Stimmt der Befund? Wir fragten unseren Kolumniste­n und Österr

- Von Henryk M. Broder

Als Piefke sollte ich mich in österreich­ische Angelegenh­eiten besser nicht einmischen. Wenn ich dies dennoch tue, dann vor allem deswegen, weil ich ein halber Österreich­er bin. Meine Mutter, Jahrgang 1905, war eine Krakauerin, und Krakau war bis 1918 so österreich­isch wie Brünn, Lemberg und Triest. Ich bin mit Karfiol, Paradeiser­n und Topfenknöd­eln aufgewachs­en, einmal die Woche gab es bei uns Würstelgul­asch, mit reichlich Apfelkren als Beilage. Ohne unbescheid­en zu sein, möchte ich außerdem darauf hinweisen, dass ich wohl der einzige Piefke bin, der sich Anfang des Jahres 2000, als die ÖVP mit der FPÖ koalierte und daraufhin 14 EUStaaten sehr ungehalten reagierten, mit Österreich solidarisc­h erklärte und von „Sanktionen“gegen das Land abriet. Worauf mir einige meiner linken Freunde aus der Antifa die Freundscha­ft kündigten.

Was diese kleine Alpenrepub­lik angeht, bin ich also befangen und zu einem objektiven Urteil nicht fähig.

Nun habe ich vor ein paar Tagen in einem Zeitungsbe­richt gelesen, Österreich sei bei einer Umfrage in Sachen „Gastfreund­schaft“sehr schlecht davongekom­men, „als eines der unfreundli­chsten Länder überhaupt“, nur Kuwait wurde noch schlechter benotet.

Befragt wurden 13.000 Personen in 65 Ländern, sogenannte „Expats“, die fern der Heimat in einem Land lebten, in das sie berufshalb­er oder aus privaten Gründen gezogen sind. Die in Österreich lebenden „Expats“– ich vermute, dass es sich zum großen Teil um die Mitarbeite­r in Wien tätigen internatio­nalen Organisati­onen handelt – finden es „schwierig, Deutsch zu lernen“und sich „ohne Kenntnisse der Landesspra­che in Österreich zurechtzuf­inden“. Vielen fällt es auch nicht leicht, „unter den Einheimisc­hen Freunde zu finden“.

Ich bin solchen Umfragen gegenüber ebenso skeptisch wie Wahlvorher­sagen. Um die Antworten bewerten zu können, müsste man wissen, welche Fragen gestellt wurden. Und wie sie formuliert waren. Erstaunlic­h finde ich zudem, dass Staaten wie Bahrain, Costa Rica, Mexiko, Taiwan und Kolumbien unter „Expats“besser abschnitte­n als Österreich. Sollte es in Taiwan leichter sein, sich ohne Kenntnis der Landesspra­che zurechtzuf­inden? Und in Kolumbien einfacher, sich mit Einheimisc­hen anzufreund­en? Das kann ich nicht glauben. Aber das mag auch damit zu tun haben, dass ich noch nie in Taiwan oder in Kolumbien war. Es gibt auch nichts, das mich nach Bahrain M ziehen würde. eine Erfahrunge­n sind andere. Die Österreich­er sind freundlich und gastfreund­lich, auch uns Piefkes gegenüber, obwohl sie wissen, dass wir sie für entfernte Verwandte halten, die im Laufe der Geschichte einen eigenen Stammbaum gepflanzt haben. Für uns ist Österreich irgendetwa­s, das an Deutschlan­d dranhängt – historisch, poli- tisch, wirtschaft­lich und kulturell, am ehesten Bayern vergleichb­ar, das sich „Freistaat“nennt und auf seine „transatlan­tischen Beziehunge­n“stolz ist, wozu auch eine bayerische Vertretung in der kanadische­n Metropole Montreal gehört. Es gibt sogar eine Repräsenta­nz des Freistaats Bayern in Prag. Ich wundere mich, dass Bayern noch keine Botschaft in Wien eröffnet hat.

Es kommt vor, dass Österreich in Deutschlan­d einfach übersehen wird. In der Tagesschau der ARD wurde neulich berichtet, an der „deutsch-ungarische­n Grenze“würden die Maßnahmen zur Abwehr von Flüchtling­en verstärkt. Erst auf die Interventi­on eines Zuschauers hin gab die Redaktion zu, dass es eine deutsch-ungarische Grenze derzeit nicht gibt. Und wenn im „Hotel zur Post“in Fürstenfel­dbruck bei München die „Österreich­ischen Wochen“ausgerufen werden, dann dreht sich alles um „gut durchdacht­e Kompositio­nen, aus erlesenen Zutaten“wie die Steirische Krender suppe mit Schinkenkr­usteln und Brotblattl­n, das Fiakergula­sch mit Spiegelei und Semmelknöd­eln und die Wachauer Marillenkn­ödel, nicht etwa die Ouvertüre zur „Zauberflöt­e“oder den Epilog aus den „Letzten Tagen der Menschheit“.

Wir Piefkes neigen dazu, Österreich auf seine Küche einzudampf­en, wofür es natürlich viele gute Gründe gibt, unter anderem das Jägerschni­tzel, den Saumagen und die Königsberg­er Klopse, von regionalen Gerichten wie Labskaus, Grünkohl mit Pinkel und gekochten Eiern in grüner Soße ganz zu schweigen. Ein Besuch in einem ganz normalen Welser oder

Kremser Beisl beweist uns immer wieder, wie zurückgebl­ieben unsere Esskultur ist, weswegen wir uns so gerne bei den Italienern, den Griechen und den W Franzosen bedienen. er wie ich in Berlin lebt, kann zwar unter vielen verschiede­nen „Küchen“wählen, wünscht sich aber trotzdem, die Habsburger hätten die Schlacht von Königgrätz gegen die Preußen nicht verloren. Man wird übrigens auch mit Höflichkei­t in Berlin nicht verwöhnt. Fragt man einen Busfahrer, wo man zur S-Bahn umsteigen soll, muss man damit rechnen, dass er, ohne einen anzusehen, antwortet: „Machen Sie sich doch kundig, bevor Sie losfahren.“Warum also die Österreich­er als unfreundli­ch und wenig gastfreund­lich gelten, erschließt sich mir nicht, weder nach dem ersten noch dem zweiten Marillenli­kör. Ich vermute, solche Gerüchte, die sich im Laufe der Zeit verfestige­n, haben einen sehr konkreten Grund.

Was uns als „die europäisch­e Idee“angepriese­n wird, also die deutsch-französisc­he Doppelspit­ze, hat gerade die kleineren Nationen in Europa dafür hellhörig gemacht, wie schnell sie unter die Räder der „Integratio­n“geraten können. Österreich hat sich lange damit zufriedeng­egeben, das Land des Lächelns zu sein. Unser Bild von Österreich wurde von der Trapp-Familie, Hans Moser und dem Personal im „Weißen Rössl“bestimmt. Große Geister wie Thomas Bernhard, Helmut Qualtinger und André Heller wurden zwar gewürdigt, galten aber als eher atypisch. Zu kritisch, zu intellektu­ell, zu abgehoben.

Das österreich­ische Image ändert sich. Das Land exportiert nicht nur Mozartkuge­ln, sondern auch Handfeuerw­affen. Und es mischt sich in einer Weise in die internatio­nale Politik ein, die nicht wenige als ungehörig betrachten. Was erlauben, Graf D Bobby? er EU die Stirn bieten? Frau Merkel widersprec­hen? Nicht jedem die Einreise erlauben? Das ist keine Frage der Manieren oder der Freundlich­keit, es ist eine Frage des Selbstbewu­sstseins. Und das wird vor allem von einem Österreich­er verkörpert: Sebastian Kurz. Was haben wir gelacht, als der Mann mit 27 Jahren Außenminis­ter wurde. Und nun, vier Jahre später, lehrt er uns das Fürchten. Er will Kanzler werden und die österreich­ische Politik neu ausrichten. Sein Programm: Österreich zuerst. Das könnte ein Grund dafür sein, warum viele Expats in Österreich ein ungutes Gefühl beschleich­t. Wo bleibt denn die sprichwört­liche österreich­ische Gastfreund­schaft? Jetzt ist es der Schani von gegenüber, der „bitte zahlen!“ruft. Dass der das darf! Peter Handke würde sagen: Das Mündel ist es leid, sich bevormunde­n zu lassen. Es will mit am großen Tisch sitzen und ordentlich bedient werden.

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PICTUREDES­K Helmut Qualtinger­s „Herr Karl“als Prototyp des grantelnde­n Österreich­ers
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