Kleine Zeitung Kaernten

Eine Liebeserkl­ärung an die DNA eines Festivals

Perspektiv­enreich und pointiert: das Künstlerbu­ch zu „50 Jahre steirische­r herbst“.

- Julia Schafferho­fer

Totgesagte leben länger. Und zu Tode geweiht – egal, ob aus Provokatio­n oder Langeweile – wurde er fast seit Anbeginn: der steirische herbst. Und? Er ist noch immer da. Seit Freitag feiert das interdiszi­plinäre, zeitgenöss­ische Festival seine 50. Ausgabe in Graz und im Mürztal.

Und Mitte Oktober werden den herbst insgesamt 3.343.818 Menschen besucht haben. Das entspricht der Einwohnerz­ahl Uruguays. Viele solche Fakten stecken im neuen „herbstbuch 1968– 2017“, das in roter oder schwarzer Ziegel optik im Schnitte inenkurzw eiligen und dabei tiefen schärfende­n Blick zurück auf ein halbes Jahrhunder­t Kunst und Kultur wagt – und auf die dazugehöri­gen Menschen, Positionen, Skandale und Skandälche­n, Höhe- und Tiefpunkte. Die Herausgebe­r Johanna Hierzegger, Martin Behr und Martin Gasser blicken in ihrer „historisch­en Expedition“informativ, anekdotenr­eich, pathosbefr­eit, aber auch ein bisschen nostalgie verliebt zurück.

L iteratur nobelpreis­träger inEl friede Jelinek hat einen Prolog verfasst, der Epilog stammt von Wolfgang Bauer und zwischen den Buchdeckel­n steckt viel Gegenwart: schelmisch­e Gedichte von Clemens J. Setz, eine bitterböse Karikatur auf den Schickimic­ki-Kunstbetri­eb von Stefanie Sargnagel, die markante Arbeit von Sonja Gangl oder der glühende Beitrag von *VALIE EXPORT. Am charmantes­ten jedoch sind die perspektiv­en reic he nRück blenden, die Bilderbuch kapitel und die Essays übers Theater( WolfgangKr­alicek ), die Literatur( Friederike­Gösw einer) oder die Avantgarde( WolfgangKo­s)be im herbst. Für Langzeitbe­sucher mit persönlich­er herbst-Erinnerung gibt es ein Wiedersehe­n mit legendären Zeitgenoss­en. Und die Generation U30 wird darüber staunen, worüber man sich in den 70ern tatsächlic­h echauffier­t hat. Das „herbstbuch“ist eine Liebeserkl­ärung an die DNA eines lebendigen Festivals. Eine, die man am besten häppchenwe­ise verkostet, damit man länger etwas davon hat. Aber ganz ehrlich: Während des Festivals bis 15. Oktober bleibt ohnehin keine Zeit dafür. Da heißt es: Rein in den Wahnsinn! Seit 50 Jahren. Gut so.

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2017. Hrsg. Martin Behr, Martin Gasser, Johanna Hierzegger, steirische­r herbst. Styria, 372 Seiten, 35 Euro.
herbstbuch 1968– 2017. Hrsg. Martin Behr, Martin Gasser, Johanna Hierzegger, steirische­r herbst. Styria, 372 Seiten, 35 Euro.

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