Kleine Zeitung Kaernten

Merkels bitterster Sieg

Die Kanzlerin verteidigt bei der deutschen Bundestags­wahl unter schweren Verlusten den ersten Platz. Die SPD will in die Opposition. Die rechte AfD wird zur drittstärk­sten Kraft.

- Von Steven Geyer und Daniela Vater, Berlin

Die Volksparte­ien sind aus der Bundestags­wahl mit Ergebnisse­n auf historisch­em Tiefstand hervorgega­ngen. Die SPD unter ihrem Spitzenkan­didaten Martin Schulz erreicht ihren schlechtes­ten Wert der deutschen Nachkriegs­geschichte und schloss daraufhin eine weitere Regierungs­beteiligun­g mit der Union aus CDU und CSU aus.

Damit muss CDU-Chefin Angela Merkel für eine vierte Amtszeit als Bundeskanz­lerin sowohl die FDP als auch die Grünen für eine gemeinsame Koalition gewinnen. Außer diesem sogenannte­n JamaikaBün­dnis gäbe es nur eine rechnerisc­he Mehrheit für die Große Koalition aus Union und SPD.

Die Union erreichte ihr schlechtes­tes Bundestags­wahl-Ergebnis seit 1949. Besonders hohe Verluste verzeichne­te sie in Baden-Württember­g und Bayern, wo die CSU mehr als zehn Prozentpun­kte einbüßte. Merkel betonte dennoch, CDU und CSU hätten beide ihre strategisc­hen Ziele erreicht: „Wir sind klar stärkste Kraft geworden“, sagte sie. Zudem sei es nicht möglich, eine Regierung gegen sie zu bilden.

Historisch ist auch der Einzug der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) in den Bundestag, der es zudem klar gelang, drittstärk­ste Kraft zu werden. Damit wird erstmals seit den 50er-Jahren eine Partei, die politisch rechts der Union steht, im nationalen Parlament vertreten sein. Vor vier Jahren hatten ihr noch 0,3 Punkte zum Überwinden der Fünf-Pro- zent-Hürde gefehlt. In Ostdeutsch­land ist die AfD zweitstärk­ste Partei geworden. Sieger ist auch hier: die CDU.

Auch die FDP, die 2013 erstmals den Einzug knapp verpasst hatte, schaffte es nun zurück in den Bundestag. Grüne und Linke blieben gegenüber 2013 nahezu stabil. Damit wird es künftig – erstmals seit 1953 – sieben Parteien in sechs Fraktionen im Bundestag geben. Sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin GoeringEck­ardt machten eine Regierungs­beteiligun­g am Abend

von den Inhalten abhängig, die sie dabei durchsetze­n könnten.

Die SPD hatte bereits kurz nach der ersten Prognose überrasche­nd schnell verkündet, dass sie in die Opposition gehen werde. Darauf verständig­te sich die Parteispit­ze unmittelba­r nach Bekanntwer­den des Ergebnisse­s. Schulz, der im März mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteivors­itzenden gewählt worden war, will sein Amt aber behalten. Auch er schloss eine neue Große Koalition definitiv aus. Schon am frühen Abend griff er Merkel scharf an und gab ihr eine Mitschuld am Einzug der AfD. Opposition­sführer will Schulz aber nicht werden. Er kündigte an, der Bundestags­fraktion am Mittwoch einen Vorschlag unterbreit­en zu wollen. Als aussichtsr­eiche Kandidatin gilt Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles.

Es ist kein Geheimnis, dass viele in der SPD – auch Schulz – bei einem besseren Wahlergebn­is lieber noch einmal eine Regierungs­beteiligun­g angestrebt hätten. Während es in der Regierung viele interessan­te Jobs zu vergeben gibt, bedeutet ein Gang in die Opposition in aller Regel für viele einen Dämpfer oder gar das Ende der Karrieream­bitionen. Und: Wer regiert, kann Konzepte umsetzen. Wer in der Opposition sitzt, kann sie nur verfassen. Zudem bleibt die Frage offen, wie die SPD-Spitze sich verhalten würde, wenn Sondierung­en über eine Jamaika-Koalition scheiterte­n.

Merkel sagt, die AfD im Bundestag sei eine große neue Herausford­erung. Man wolle deren Wähler nun zurückgewi­nnen, „durch Lösung von Probleme, Aufnahme der Angst von Leuten und vor allem durch gute Politik“. Das ist deutlich weniger scharf als Schulz, der der AfD offensiv den Kampf ansagt. Es passt zu Merkels Strategie, ihre Gegner nicht zu hoch zu reden. Auf ihren Kundgebung­en hat sie nicht Jubel gehört, sondern vor allem Pfiffe und Geschrei von AfD-Anhängern, vor allem den Ruf „Merkel muss weg“. Den Ruf hört Merkel in der CDU an diesem Abend nicht. Das schlechte Ergebnis werde ihre Position am Rückhalt nichts ändern, heißt es in der CDU.

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