Sphinx als Rätsel
Der Wahlkampf ist laut Michael Häupl „eine Zeit fokussierter Unintelligenz“oder freundlicher gesagt eine Periode grober Vereinfachung und schmerzhafter Zuspitzung. Das Wahlvolk kann sich an rhetorischen Kraftakten zwischen Fernsehstudio und Bierzelt erfreuen. Der Stil ist angeblich Ausdruck der Persönlichkeit. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen!
Bei den laufenden Fernsehdiskussionen auf mehreren Kanälen fällt auf, dass die Kandidaten gerne auf Textbausteine zurückgreifen, die sie wortgleich in jeder Konfrontation einsetzen. Bei Heinz-Christian Strache etwa kommt verlässlich der „rot-schwarze Verwaltungsspeck“, diese Passagen lassen sich schon mitsprechen. Der junge Sebastian Kurz ist schon so lange in der Politik, dass er sich die Berufskrankheit der Volksvertreter zugezogen hat, das weitschweifige Ausweichen vor konkreten Antworten. Ein Element des Grotesken mischt sich in Christian Kerns betont staatsmännische Auftritte, wenn er als amtierender Bundeskanzler behauptet, kein Berufspolitiker zu sein. Heutzutage möchte ja als Amateur gelten, wer etwas gelten will. Die Grüne Ulrike Lunacek wirkt mitunter, als sei sie erst seit gestern in der Politik. So hat sie auf die zu erwartenden Provokationen Straches, der ihrer Partei vorwarf, „hasszerfressen“und „schäbig“zu sein, mit dem Ruf nach dem Kadi reagiert.
Da ließe sich auch eine andere Entgegnung vorstellen, es muss ja nicht mit gleicher Münze zurückgezahlt werden. Matthias Strolz von den Neos hat einst den jugendlichen Sebastian Kurz rhetorisch geschult, er selbst gibt den dauerhaft unter Strom stehenden Eiferer, der sein Gegenüber nicht ausreden lassen will, da er ja so viel zu sagen hat.
A n ihm hat sich Kurz jedenfalls kein Beispiel genommen. Er posiert nicht als Springteufelchen, sondern als Sphinx, die selbst zum Rätsel wird, weil sie ihre Pläne immer nur stückweise und dann ja nicht im Detail enthüllt. Ein Politiker, der seine Absichten offenlegt, würde wohl nicht gewählt werden. Vor allem, wenn hinter den vollmundigen „Reformen“nichts als großzügige Kürzungen stehen.