Das Ende einer Entfremdung
Erstmals kandidiert ein Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde für Nationalrat.
Josef Pröll schont seinen Gast nicht. Der ehemalige ÖVPChef hat eine kleine Runde zum Salongespräch in ein Wiener Innenstadtlokal gebeten, um seinem Freund Martin Engelberg auf den Zahn zu fühlen: „Was machst du, wenn Sebastian mit der FPÖ koaliert?“
Mit der Kandidatur von Engelberg auf der Liste Kurz bricht ein neues Zeitalter an. Der Psychoanalytiker, der mit der Leiterin des Jüdischen Museums, Danielle Spera, verheiratet ist, ist der erste Österreicher seit 1945, der sich offen zu seinem jüdischen Glauben bekennt und an wählbarer Stelle für den Bund kandidiert.
Nach kurzem Innehalten meint Engelberg, der dem Vorstand der Kultusgemeinde angehört: „Für mich ist entscheidend, dass die FPÖ mit Antisemitismus keine Politik macht.“Engelbert erzählt von der Kluft, die jahrzehntelang zwischen Judentum und der ÖVP herrschte, und vom Unbehagen an der SPÖ unter Kreisky, der Juden als „mieses Volk“bezeichnet hatte, und unter Sinowatz (Causa Peter). Pröll war der erste VP-Chef, der über seinen Pressesprecher Kontakte zur Gemeinde geknüpft hatte. Im Nationalrat will sich Engelberg um Bildungs- und Wirtschaftsfragen kümmern.
Pröll ließ sich zu zwei politischen Bemerkungen hinreißen. „Gott sei Dank hat sich Kurz ein Jahr auf die Wahl vorbereitet. Man sieht bei Kern, was passiert, wenn man unvorbereitet ist.“Dass Kurz die ÖVP an die Kandare nehmen konnte, liege am Abgang seines Onkels Erwin. „Das wäre früher undenkbar gewesen.“