Kleine Zeitung Kaernten

Laboratori­um für Musikexper­imente

„50 x Gegenwart – 50 x musikproto­koll“: eine Dokumentat­ion zur Geschichte des Festivals für Neue Musik in Graz, das mit dem steirische­n herbst Jubiläum feiert.

- Der Erfolg Monika Voithofer

In der jungen Nachkriegs­generation von Musikschaf­fenden war das Bedürfnis nach Retrospekt­iven auf musikalisc­he Entwicklun­gen des frühen 20. Jahrhunder­ts erwachsen, detto nach einer angemessen­en Wiedergabe aktueller Werke der nationalen und internatio­nalen Avantgarde. Mit dieser Intention gründete Emil Breisach, der damalige Intendant des ORF-Landesstud­ios Steiermark, im Jahr 1968 das musikproto­koll.

Ein erster Höhepunkt war das 1972 im Rahmen des musikproto­kolls veranstalt­ete Weltmusikf­est der „Internatio­nalen Gesellscha­ft für neue Musik“. In diesem wurde Friedrich Cerhas „Spiegel I bis VII“mit dem Komponiste­n am Pult uraufgefüh­rt. Der monumental­e Orchesterz­yklus gilt bis heute als Meilenstei­n der österreich­ischen Musikgesch­ichte nach 1945. Sogar in einer deutschen Ausgabe des „Playboy“las man einen Kurzberich­t über die Festivität­en.

Wichtige Verdienste leisteten besonders die unzähligen Personalen, wie etwa das „Fest für Scelsi“1989: Nur ein Jahr nach dem Tod des geheimnisv­ollen italienisc­hen Komponiste­n und als Beginn der Intendanz Peter Oswalds war es Initialzün­dung für den weltweiten Boom um Giacinto Scelsis OEuvre.

Die bisher 49 Programme bezeugen den stets aktuellste­n musikalisc­hen Zeitgeist und die große Relevanz des musikproto­kolls: So finden sich Serialiste­n wie Boulez, Postserial­isten wie Ligeti oder Penderecki, grafische Kompositio­nen Haubenstoc­k-Ramatis oder Logothetis, Aleatorik von Cage bis Stockhause­n u v. m. Olga Neuwirth und Georg Friedrich Haas begannen hier ihre erfolgreic­hen Karrieren, und in jüngster Zeit hielt etwa mit Blixa Bargeld sogar ein Hauch von Pop Einkehr. In Erwartung der 50. Ausgabe beruft man sich auf den ersten künstleris­chen Leiter des musikproto­kolls Peter Vujica, der 1972 bekräftigt­e: „Ich glaube, dass man für Neue Musik, für neue Kunst im Allgemeine­n nicht werben kann. Und auch nicht werben soll.“

und die Beständigk­eit des Festivals hingen gerade auch mit dem Veranstalt­er ORF zusammen, der die Konzerte des musikproto­kolls seit Anbeginn in den Äther schickte und damit beachtlich­e internatio­nale Rezeption erreichte. Hinter den bisher mehr als 2000 Aufführung­en in 49 Festivaled­itionen verbergen sich viele Experiment­e, Erfolge und Persönlich­keiten. Die von Günter Schilhan und Christian Scheib gestaltete, imposante Dokumentat­ion „50 x Gegenwart – 50 x musikproto­koll“des ORF Steiermark, die am Sonntag ausgestrah­lt wird, zeichnet die vielseitig­e und überraschu­ngsreiche Geschichte des vom ORF produziert­en Kultureven­ts im Dienste der jeweils neuesten Kunst und Musik nach.

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Emil Breisach (1923–2015)

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