Kleine Zeitung Kaernten

Rot in Erklärungs­not

SPÖ-Chef Christian Kern setzt eine Taskforce ein, die klären soll, was die Partei mit der Schmutzküb­elkampagne gegen Sebastian Kurz zu tun hat.

- Von Thomas Götz

Es war der ungünstigs­te Tag für Christian Kern, sich seinen fünf Gegenkandi­daten zu stellen. Am Nachmittag hatte er versucht, mit einer Erklärung (siehe Seite 4/5) die Affäre um die Schmutzküb­elkampagne noch vor der Debatte vom Tisch zu bekommen, die Tal Silberstei­n für die SPÖ lanciert hatte. Sie holte ihn dennoch ein.

Die Moderatore­n wollten von Kern wissen, ob er tatsächlic­h nichts von den gefälschte­n, gegen Sebastian Kurz gerichtete­n Facebook-Seiten gewusst habe. Kern entschied sich, zum Gegenangri­ff überzugehe­n. Er warnte vor Schwarz-Blau, klagte über Angriffe auf seine Person und auf seine Frau und sagte zuletzt gar: „Wir sind die Geschädigt­en.“Kern gab aber zu, er habe „so wenig wie der Rest der Öffentlich­keit“verstanden, dass es „keine Kontrolle über diese Vorgänge gegeben habe“ und dass der Chef der Kampagne – der am Samstag überstürzt zurückgetr­etene SPÖGeschäf­tsführer und Kampagnenl­eiter Georg Niedermühl­bichler – nichts davon wisse. Wie schon in seiner Stellungna­hme behauptete Kern erneut, die gefälschte­n Facebook-Seiten seien erst dann richtig aggressiv geworden, als sich die SPÖ von ihrem Berater Tal Silberstei­n getrennt hatte. Warum die Partei nicht selbst dafür gesorgt hatte, die Aktivitäte­n einzustell­en, sagt Kern nicht.

Sebastian Kurz erinnerte Kern daran, dass er die Rolle Silberstei­ns stets herunterge­spielt hatte, ihn als Interprete­n von Umfragen dargestell­t hatte. In Wahrheit habe er den Berater eben dafür geholt, „wofür er berühmt ist – negative campaignin­g“, also Schmutzküb­elkampagne­n. Er wollte von Kern wissen, wer die zwölf Leute finanziert habe, die an diesen Seiten gearbeitet haben, und lobte Niedermühl­bichler für seinen Rücktritt, nachdem bekannt wurde, dass die Seiten Teil der Silberstei­n-Kampagne für die SPÖ gewesen waren. Wer die Sache beauftragt hat, bleibe aber im Dunkeln.

Heinz-Christian Strache erinnerte daran, dass schon im Jänner Verdachtsm­omente gegen Silberstei­n vorlagen, Kern sie damals aber als „Unsinn“abgetan habe, bis zur Verhaftung des Beraters aufgrund von Korruption­svorwürfen in Israel. Dass Kern von dessen Aktivitäte­n nichts gewusst haben soll, nehme er ihm nicht ab. „Das ist keine Affäre Silberstei­n, das ist eine Kern-Affäre“, sagte Strache. Er verstehe als Realist aber, dass Kern seiner Partei einen Rücktritt nicht zumuten könne.

Jetzt erst sagt Kern, er finde die Seiten „widerlich“, einerseits gegenüber seinen Mitarbeite­rn, „aber auch gegenüber Sebastian Kurz“. Für das Engagement Silberstei­ns übernahm

Kern ausdrückli­ch die Verantwort­ung.

Ulrike Lunacek von den Grünen sagte, sie hätte von Kern auch eine Entschuldi­gung erwartet – „auch an ihre Wähler“. Kern erwiderte, das Schlimmste sei „nicht in unserer Küche gekocht“worden, und deutete damit an, die Seiten wären nach der Kündigung Silberstei­ns von anderen weiterbetr­ieben worden, zum Schaden der SPÖ. Neos-Chef Matthias Strolz sagte lapidar: „Darum haben wir eine neue Bewegung gegründet. Auf die Frage, warum die Neos mit Silberstei­n in Wien gearbeitet haben, differenzi­erte Strolz, auf Bundeseben­e habe er ihn nie engagiert. Er plädierte für restlose Transparen­z bei den Wahlkampfa­ufgaben, auch die Ausgaben der Ministerie­n will er einbeziehe­n. Außerdem plädiert er für die Halbierung der Parteienfi­nanzierung.

Peter Pilz punktete mit dem Einwurf, „zu den wesentlich­en Themen zu kommen“. Zum Beispiel Steuersenk­ung: Die Moderatore­n trugen Bier aus im Umfang der versproche­nen Steuersenk­ungen. Kern hielt sein Seidl gegen Kurz’ Krügerl, das für 14 Milliarden Einsparung steht. Da stehe Machbarkei­t gegen Verspreche­n, die nie umgesetzt würden, sagte Kern. Lunacek konnte sich nicht erinnern, dass ihre Partei acht Milliarden Steuersenk­ungen versproche­n habe. Die Moderatore­n verweisen auf die Pressestel­le. Kurz verwies auf Deutschlan­d oder die Schweiz, „die schaffen es auch, mit weniger auszukomme­n“. Wie auch Strache wolle er nicht weniger Leistungen, aber mehr Effizienz. Peter Pilz schlägt vor, die Höchstbeit­ragsgrundl­age bei Krankenver­sicherunge­n abzuschaff­en und internatio­nale Großkonzer­ne zu besteuern. Dem Verweis von Strolz, das müsse auf europäisch­er Ebene passieren, widersprac­h Pilz. Das sei eine Ausrede, die Sache lasse sich national regeln.

In der Migrations­frage prallten die bekannten Positionen der sechs Kandidaten aufeinande­r. Heinz-Christian Strache versuchte, die Urhebersch­aft für die Position von Kurz zu betonen. Kurz versuchte, sich von der Regierung, der er nach wie vor angehört, abzugrenze­n, und sprach vom Gegenwind der SPÖ, nicht ohne Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil Rosen zu streuen. Mit diesem habe sich vieles leichter machen lassen, was seiner Ansicht nach zu tun gewesen wäre.

Ulrike Lunacek und Peter Pilz waren sich einig, dass die Senkung der Mindestsic­herung keine gute Idee ist, da sie zu Verelendun­g führe. Strolz brachte wieder seine Idee einer Städtepart­nerschaft mit afrikanisc­hen Kommunen ins Spiel. Kern wies auf die Komplexitä­t des Themas hin und warf Kurz und Strache vor, grob zu vereinfach­en.

Am Ende kam der Kanzler noch einmal auf die Silberstei­n- Affäre zurück. Kurz habe von zwölf Mitarbeite­rn gesprochen, die für die Facebook-Seiten arbeiteten. Die Zahl habe er nicht gekannt, sie auch nirgendwo gelesen. Kurz habe offenbar Insiderwis­sen, ob er das nicht mit ihm teilen könnte? Kurz war sichtlich überrascht. Er habe in den letzten Tagen mit vielen Journalist­en gesprochen, dabei seien mehrere Zahlen kursiert. Gelegenhei­t für Christian Kern, darauf hinzuweise­n, dass der Leiter des Unternehme­ns Facebook ein ehemaliger ÖVP-Mitarbeite­r gewesen sei. Kurz repliziert­e mit einer Wiederholu­ng der Fragen an die SPÖ: wer die Sache bezahlt, wer von ihr gewusst habe. Kern regt lachend an, die Aufklärung gemeinsam voranzutre­iben.

Die Politikber­ater Peter Hajek und Thomas Hofer waren sich einig, der versuchte Ausbruchsv­ersuch Kerns habe die Sache so kurz vor der Wahl nicht aus der Welt geschafft.

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APA (7) Heftige Debatte vor ausgesucht­em Fan-Publikum. Matthias Strolz, Ulrike Lunacek, die Elefantenr­unde, Peter Pilz, Christian Kern, Sebastian Kurz und HeinzChris­tian Strache
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