Kleine Zeitung Kaernten

Giuseppe Verdis „Trovatore“als Reise in seelische Abgründe.

Nazi Horror Picture Show im Varieté: Ben Baur transponie­rte Giuseppe Verdis „Trovatore“mit wechselnde­m Erfolg in das Berlin der 1930er-Jahre.

- Von Michael Tschida

Heiße Liebe, brennende Eifersucht, hitzige Rache: Man weiß, all das gibt viel Asche im „Trovatore“. Giuseppe Verdis mächtige „Feuer“-Oper setzte das Grazer Opernhaus an den Beginn seines heurigen Spielplans.

Ben Baur (35) hat die in Biscaya und Aragonien spielende Geschichte aus der Renaissanc­e in ein Berliner Varieté aus den 1930ern transponie­rt, hin zu jenem „Tanz auf dem Vulkan“, auf den diese Zeit zusteuerte. Das fügt sich nicht immer schlüssig, vergrößert aber mit der anfangs ausgelasse­nen Feierstimm­ung die Fallhöhe in die immerfort drohenden Abgründe menschlich­en (Miss-)Handelns.

Die Eingangssz­enen wirken, als hätte George Grosz die Nazi Horror Picture Show vorausgema­lt. Eine übergroße Volière für bunte Partyvögel wird spä- ter zum Kerker, Federboas wandeln sich zu züngelnden Flammen, selbst im kecken Cancan ahnt man schon den Totentanz.

In der Erzählung von den zwei Brüdern, die durch eine grausige Vorgeschic­hte mit einer vermeintli­chen Hexe auf dem Scheiterha­ufen und vertauscht­en Kindern voneinande­r nicht wissen und einander auf dem Schlachtfe­ld wie auf dem Feld der Liebe ins Gehege kommen, will der deutsche Regisseur allerdings gar viel: Die Tragödie, die er durchwegs stimmig in und mit der Musik inszeniert, erweiterte er um Blitzlicht­er auf die frivole Spaßgesell­schaft, auf Herrenmens­chen in ausgestell­ten Breeches-Hosen, auf Folterkamm­ern, Lager und Ruinen. Und im vollgestel­lten, (zu) oft wie ein Karussell kreisenden Kulissenla­ger des Nachtclubs, in dem er die Protagonis­ten größtentei­ls bewegt, wird Baurs Bühnenbild zwischendu­rch allzu sehr zweckfreie­s Dekor.

Die vier Hausdebüta­nten schlugen sich bei der Premiere wacker bis sehr gut: Der italienisc­he Tenor Stefano Secco steigerte sich als verlorener Bruder und Troubadour Manrico im Laufe des Abends zu heldischem Glanz, auch wenn die Hochtöne nicht immer perfekt saßen. Der russische Bariton Rodion Pogossov meisterte die Rolle des Grafen Luna mit Prägnanz und schöner Höhe. Die eher zierliche Ungarin Lana Kos trumpfte als Leonora mit voluminöse­m Sopran auf und fand nach einem längeren Anlauf auch technisch in die Spur. Am meisten aber beeindruck­te Nora Sourouzian als zornbe-

 ?? WERNER KMETITSCH ?? Rodion Pogossov als Graf Luna, Lana Kos als Leonora, Stefano Secco als Manrico und Nora Sourouzian als Azucena
WERNER KMETITSCH Rodion Pogossov als Graf Luna, Lana Kos als Leonora, Stefano Secco als Manrico und Nora Sourouzian als Azucena

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