Schreiben als Rettung vor der Hölle
INTERVIEW. Nach „Die Wand“spielt Martina Gedeck auch in „Wir töten Stella“in einer Romanverfilmung nach Marlene Haushofer. Der Star über das beklemmende Drama, das derzeit im Kino läuft.
Schon während des Drehs zu „Die Wand“hatte Regisseur Julian Pölsler die beiden anderen Romane von Marlen Haushofer, „Wir töten Stella“und „Die Mansarde“, im Hinterkopf. Drei Werke, die sich thematisch und stilistisch sehr ähnlich sind. Wie war Ihnen zumute, als Sie das Angebot bekamen, auch in „Wir töten Stella“wieder mitzumachen?
MARTINA GEDECK: Ich habe mich sehr gefreut, weil ich diese Figur irgendwie bei mir behalten hatte. Die Arbeit zur „Wand“habe ich bis heute nicht vergessen, es gab auch starke Resonanz. Der Charakter der Anna hat mich lang begleitet. Als es dann hieß, dass ein Prequel folgen sollte, sagte ich nur: Ja, das passt! Wenn man mit ihr in Berührung kommt, ist die ganze Haushofer’sche Literatur immens aufregend. Wenn man da eintaucht, ist man gefangen.
Haushofer sei „brutal wie ein Vorschlaghammer“, heißt es. Stimmen Sie zu? Ich kann es verstehen, wenn jemand den Film so empfindet. Wir begegnen dem Charakter der Anna ja in einem Ausnahmezustand. Weil sie gegen die Katastrophe, die ihr passiert, anschreibt. Es geht ihr um die Annäherung an die Wahrheit. Dem, was geschehen ist, nicht auszuweichen. Dem Tod einer Studentin, die die Familie bei sich aufgenommen hat. Wir spüren diese über den Dingen stehende Wahrheit und die Hoffnungslosigkeit, die bei ihr mitschwingt. Der Schreibprozess ist es, der Anna rettet. Nicht nur vor der Hölle, sondern auch vor dem Auszucken. Die Rahmenhandlung finde ich wahnsinnig spannend. Wie sie über die Grenze, in der sie sich bewegt, hinausgeht. In „Die Wand“ist sie in der Natur, in der Freiheit. Hier aber in einem begrenzten Raum, sodass die Wand für sie persönlich eher noch etwas Positives ist.
Haben Sie sich aufgrund dieser Filme ausführlich in das OEuvre von Marlen Haushofer vertieft? Ja, natürlich. Schon während der Dreharbeiten zur „Wand“habe ich ihr Gesamtwerk gelesen. Auch, weil bei ihr ja alles in Verbindung steht.
Ja, insofern, als sie im Nichtausweichen beharrlich, unerbittlich und schonungslos ist. Sie öffnet ja quasi zwei Welten. Jene, in der sich Anna bewegt, und dann das innere Erleben. Im Inneren empfindet sie Wahrheit, Wirklichkeit, Kälte, Chaos. Die Brutalität ist nicht ihre eigene, sondern das, was sich zwischen Menschen abspielt. Da ist sie schonungslos und legt die Dinge offen. Wie mit einem Sezierbesteck.
Aktuell sind Sie schon wieder am Arbeiten? Ja, an einer sechsteiligen Serie. Eine bitterböse, satirische Geschichte. Es geht um einen Mann, der versucht, seine Frau umzubringen. Was ihm nicht gelingt. Und wieder eine fantastische Aufgabe für mich, denn ich spiele eine Doppelrolle. Zwillingsschwestern mit ganz verschiedenen Gesichtern. Die eine ist einfach gestrickt, die andere ungemein temperamentvoll, fast eine Chaoten-Queen.