„Schlimmstes Blutbad in der US-Geschichte“
Schießerei mit Dutzenden Toten in Las Vegas gibt Rätsel auf. Täter war laut Behörden ein „unbeschriebenes Blatt“ohne Terrorkontakt.
Mindestens 58 Tote, 515 Verletzte – „es ist das schlimmste derartige Verbrechen in der Kriminalgeschichte der USA“, erklärt Bezirkssheriff Joe Lombardo. Und das Blutbad geht auf das Konto eines Täters, der nach gestrigem Ermittlungsstand so gar nicht in das Bild eines klassischen Amokschützen passt. Steven Craig Paddock ist ein Weißer, bereits 64 Jahre alt, Großvater, lebte mit seiner Freundin in Mesquite in einer Pensionisten- und Golfgemeinde an der Grenze zu Arizona.
„Wir haben nicht viel über ihn in unseren Akten“, betont ein Sprecher der örtlichen Polizei. „Es gibt keinen Notruf, keine Festnahme, ja noch nicht einmal eine Anzeige, dass er ein Rotlicht überfahren hätte.“
Doch in der Nacht auf gestern richtete der pensionierte Buchhalter in der Spielermetropole, 130 Kilometer von seinem Wohnort entfernt, ein unfassba- res Blutbad an. Von seinem Hotelzimmer im Mandalay Bay Resort und Casino eröffnete er vermutlich aus mehreren automatischen Waffen das Feuer auf das gegenüberliegende Veranstaltungsgelände. Dort tanzten und feierten mehr als 20.000 Menschen beim dreitägigen Route 91 Harvest Festival.
Der Countrysänger Jason Aldean hatte gerade seinen Auftritt, als kurz nach 22 Uhr (Ortszeit) die ersten Schüsse fielen. Er konnte sich samt Band noch in Sicherheit bringen und twitterte später: „Heute Nacht war mehr als schrecklich. Es passierte Menschen, die gekommen sind, um Freude zu haben.“
Rund 22.000 Menschen waren auf dem Festivalgelände. Es brach Panik aus. „Jeder ist nur noch gerannt“, schildert Gail Davis. „Du musstest mit ansehen, wie Menschen erschossen werden.“Keiner wusste, was los war. Keiner wusste, wohin er flüchten sollte. Eltern verloren im Chaos ihre Kinder, alle schrien durcheinander. „Ich hatte noch nie zuvor so große Angst“, betont Gail Davis. „Wir krochen über Tote“, schildert Cari Copeland Pearson. „Wir haben zuerst an ein Feuerwerk gedacht“, berichten andere Besucher. „Dann begriffen wir, dass es Schüsse sind.“Der südliche Teil des „Strip“, an dem die Hotels und Casinos liegen, wurde sofort gesperrt, am Flughafen durften keine Maschinen mehr starten oder landen. Rettungsfahrzeuge und Polizeiautos rasten zum Tatort. Zwei Österreicher, gerade angekommen, bekamen die Ausnahmesituation mit. „Da geht irgendetwas komplett Verrücktes vor“, hieß es im Taxifunk. Rauchmelder verrieten die Position des Todesschützen – sie schlugen wegen des vielen Rauchs im Zimmer an. Als ein Einsatzkommando die Tür zum Eckzimmer aufbrach, in dem der Verdächtige bei zwei
Fenstern die Verglasung zertrümmert hatte, fanden sie einen Toten: Paddock hatte sich selbst erschossen. Bei ihm wurden zehn Gewehre gefunden.
Jetzt ermitteln Polizei und FBI. „Wir haben derzeit keinerlei Hinweise auf irgendeine Form von Terrorismus“, so Sheriff Joe Lombardo. Hinweise auf ein Motiv erhoffen sie sich von der Lebensgefährtin (62) des Schützen, einer Filipina, die sich derzeit im Ausland aufhält.
„Um Himmels willen, wo bekam er automatische Waffen her?“, ist Bruder Eric Paddock ratlos. „Er war kein Waffennarr, er war nicht einmal beim Militär.“Wenig später heftete sich der „Islamische Staat“die Tat auf seine Fahnen: Der Todesschütze sei vor wenigen Wochen zum Islam konvertiert. Die Ermittler zweifeln jedoch daran, es wurden laut FBI keinerlei Kontakte zur Terrorszene entdeckt.