Kleine Zeitung Kaernten

Demenz: Mehr Teilhabe statt Abschiebun­g

Teilhabe statt Abschiebun­g, Bedürfnise­rkennung statt Bevormundu­ng: Das Demenzforu­m in Velden bietet Hilfestell­ung für Pflegende und Angehörige dementer Menschen.

- Von Elke Fertschey

Es braucht unendlich viel Geduld und Gespür, um demente Menschen richtig pflegen zu können.“Jörg Fuhrmann, Heimleiter in Wels, der beim Demenzforu­m in Velden referieren wird, legt die Latte für Pflegende und Angehörige hoch. „Man muss sich mit dem Kranken und mit sich selbst auseinande­rsetzen und nicht nur dem Du, sondern auch dem eigenen Ich begegnen.“ wieder werde er mit der „massiven“Hilflosigk­eit der Pflegenden konfrontie­rt. Doch sie müssten die Sprache der dementen Menschen verstehen lernen und nicht umgekehrt.

Wesentlich sei, die Bedürfniss­e der Kranken zu achten, statt sie zu bevormunde­n. „An Demenz erkrankte Menschen fühlen sich oft falsch verstanden und herumkomma­ndiert, weil sie die Entscheidu­ngsgründe der Pflegenden nicht erfassen können“, spricht Fuhrmann aus der Praxis. „Ein Streitgesp­räch sollte unter allen Umständen vermieden werden, auch wenn der Kranke eindeutig im Unrecht ist.“Jeder Streit werde als bedrohlich empfunden und verstärke Verwirrthe­it und Unzufriede­nheitsgefü­hl. Man solle Verständni­s für die „andere Welt“des Betroffene­n aufbauen. Durch adäquates Verhalten könnten „herausford­ernde Situatione­n“vermieden werden.

Menschen mit Demenz sollten an Ereignisse­n und Entscheidu­ngsbildung­sprozessen teilnehmen und sich einbringen können, fordert Peter Wißmann von Demenz Support Stuttgart das Recht auf gesellscha­ftliche Teilhabe. Sehr oft würden Demenzbetr­offene nämlich als „geistlos“in die Ecke geschoben, man traue ihnen nichts zu und entscheide über sie hinweg. Dieser „Automatism­us des Abschieben­s“müsse durchbroch­en werden.

„Der Demenzbetr­offene hat zwar Beeinträch­tigungen, aber noch viele Fähigkeite­n“, plädiert Wißmann für Kommunikat­ion auf Augenhöhe statt Entmündigu­ng. Um Teilhabe zu erImmer

möglichen, müsse man „Übersetzun­gsarbeit“leisten. „Wenn der Opa dem lauten Geschehen an der Familienta­fel nicht mehr folgen kann, könnte ein Enkel neben ihm sitzen und erklären, was am anderen Ende des Tisches geredet wird und ihn fragen, was er darüber denkt.“

Auf die letzte Lebensphas­e wird Geriaterin und Palliativm­edizinerin Brigitte Hermann von den Geriatrisc­hen Gesundheit­szentren Graz eingehen. Sehr wichtig sei es, zu erkennen, ob der Patient Schmerzen oder Beschwerde­n habe. Mit Sensibilit­ät müsse man nonverbale Zeichen wie Mimik, Schwitzen oder Puls deuten lernen. Genaue Beobachtun­g könne Medikament­e ersetzen. Hermann plädiert für eine vorausscha­uende „end-of-life-care“, wobei auch der Patientenw­ille eruiert und festgehalt­en werden solle.

Für den „Vorsorgedi­alog“gebe es eigene Formulare von Hospiz Österreich. Früh solle man sich mit schwierige­n ethischen Fragen, die in der Betreuung Demenzerkr­ankter häufig auftreten, befassen. Sie seien im Team besser lösbar.

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Immer mehr Menschen brauchen liebevolle Hilfe und Pflege
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Unendlich viel Geduld: Jörg Fuhrmann
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KK (2) „End-of-life-care“: Brigitte Hermann

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