Kleine Zeitung Kaernten

Am Sonntag müssen die Tiroler entscheide­n.

Soll das Land Tirol ein selbstbewu­sstes Angebot für nachhaltig­e, regional angepasste sowie wirtschaft­lich und ökologisch vertretbar­e Olympische und Paralympis­che Winterspie­le Innsbruck-Tirol 2026 legen? Tirol will zum dritten Mal Olympische Winterspie­l

- Von Michael Schuen

Wie soll man es formuliere­n? Sportlich vielleicht so: So richtig auf Zug kam die Kampagne, die die Tiroler von einem Ja als Antwort auf die obige, leicht tendenziös­e Frage am Sonntag überzeugen sollte, nie wirklich. Der Auftakt der groß angekündig­ten „Roadshow“ging im Seniorenhe­im des olympische­n Dorfes im Osten der Stadt Innsbruck über die Bühne. Vor 15 Zuhörenden. Manche von ihnen waren ebenso wenig begeistert wie die aufmarschi­erte Politpromi­nenz. Das olympische Feuer wurde also (noch) nicht gezündet im „heiligen Land Tirol“. Manche Beobachter meinen, das liege an der allgemeiis­t nen Politikver­drossenhei­t. Rund um den Nationalra­tswahlkamp­f will man so wenig wie möglich anstreifen an der Politik. Und Olympia, das ist eine hochpoliti­sche Frage. Genauso wie die Frage, wie sich die Tiroler am Sonntag entscheide­n, noch völlig offen ist. Olympische Optimisten gehen von einer 60-prozentige­n Zustimmung aus, Olympiageg­ner hoffen auf ein weit knapperes Ergebnis, vor allem in der Stadt Innsbruck sogar auf eine Ablehnung.

Diese wäre gleichbede­utend mit dem Ende des Abenteuers „Olympia 2026“, wenn man der Politik glauben darf. Und es wäre wohl auch das Ende aller Olympiaamb­itionen in diesem Land. Salzburg ist nach zwei Ohrfeigen durch die IOC-Mitglieder für die Spiele 2010 und 2014 wohl noch lange aus dem Rennen, ob sich Innsbruck und Tirol bei einem Nein der Bevölkerun­g je wieder über das Thema trauen, ist mehr als fraglich. Dabei stünden die Chancen gut: Die Punkte, mit denen schon Salzburg einst ins Rennen zog – Nachhaltig­keit, Überschaub­arkeit, Redimensio­nierung der Spiele, vorhandene Sportstätt­en, Expertise, Begeisteru­ng –, haben durch die Skandale rund um Olympia erstaunlic­h an Wert gewonnen. Das IOC schiebt nach der Ablehnung der Idee Olympia in Graubünden/St. Moritz und in Garmisch fast ein wenig an. Die Sorge, es sich endgültig mit den Kernmärkte­n zu verscherze­n, spürbar. Wie auch die Bereitscha­ft, im Notfall auf viele Bedingunge­n zu verzichten, ohne die es in der Vergangenh­eit nicht einmal zum Kandidaten­status gereicht hätte.

Insofern ist es kein Wunder, dass sich die Tiroler Politik fast durchwegs zu Olympia bekennt. Oder vielleicht nicht gegen Olympia stellt, denn die große Liebe wurde ebenso wenig verkündet, zu groß ist offenbar die Angst, am Sonntag auch hier eine Abfuhr des Wahlvolkes zu erleiden.

Einzig die „Liste Fritz“, des einstigen Tiroler Arbeiterka­mmerpräsid­enten Fritz Dinkhauser und dessen Frau Heidi, hat sich die Gegnerscha­ft zu Olympia auf die Fahnen geheftet. „Tischallen­den

hat dringliche­re Probleme“, sagt er und meint damit etwa die steigenden Wohnkosten, die verstopfte­n Routen zu den Tourismusb­etrieben, die Belastung der Natur durch Schneekano­nen, die vielen Veranstalt­ungen, die Abhängigke­it des Arbeitsmar­ktes vom Tourismus. Er warnt: „Großevents wie Olympische Spiele bringen Preissteig­erungen bei Grund-, Boden- und Mietpreise­n. Vom Bier bis zum Kaffee ist in fast allen Bereichen des Lebens ein enormer Preisschub zu beobachten!“Von den überzogene­n Budgets vergangene­r Spiele gar nicht zu reden. Dinkhauser fürchtet zu wissen, wer die Last zu tragen hat, wenn falsch geplant wird. „Die Hetz muss jemand zahlen – der Steuerzah- ler“, warnt Dinkhauser – 1968 übrigens selbst Olympia-Teilnehmer, damals im Zweierbob.

Dem tritt vor allem das Österreich­ische Olympische Comité (ÖOC) unter Präsident Karl Stoss und Peter Mennel entgegen. Das ÖOC war es auch, das mit vielerlei Mitteln versucht, die Pro-Argumente besser zu platzieren, als es die eigentlich mit der Kampagne betraute „Innsbruck Tirol Sports GmbH“, die u. a. auch die RadWM 2018 pushen soll, geschafft hat. Mit Toni Innauer und Benjamin Raich wurden zwei Olympiasie­ger kurzerhand zu den Gesichtern der Bewerbung bestimmt, sie sind bei Diskussion­en, Interviews, TV-Runden dabei und versuchen, Emotiorol nen zu schüren. Die wichtigste­n Argumente aber kommen vom Chef persönlich. IOC-Präsident Thomas Bach erläutert ein ums andere Mal, dass es „nun wirklich an der Zeit ist, dass die Spiele wieder an einen traditione­llen Winterspor­tort zurückkehr­en“. Oder er lobt das Vorhandens­ein der Infrastruk­tur, die es ermöglicht, die Budgets in Grenzen zu halten. „Die Nutzung von vorhandene­n Sportstätt­en führt nicht nur zu einem überschaub­aren Investitio­nsbudget. Sie verhindert auch, dass die Spiele Narben in Form von unbenutzte­n und zerfallene­n Stadien (den „weißen Elefanten“, Anm.) wie etwa in Rio de Janeiro oder Athen hinterlass­en. So etwas wollen wir nicht!“, sagte er.

Bleibt die Frage, ob die Tiroler am Sonntag wollen. Nüchtern betrachtet ist klar: 77 Prozent der Sportstätt­en wären im Tiroler Konzept vorhanden, der fehlende Teil soll temporär geschaffen werden. Gelingt es, das kalkuliert­e Durchführu­ngsbudget von 1,175 Milliarden Euro zu halten (und dieser Teil des Budgets hielt bisher noch bei allen Spielen), dann wären sie tatsächlic­h ohne Zuschuss zu finanziere­n. Bleibt die Frage nach Investitio­nen in sportfremd­e Infrastruk­tur und Sicherheit­smaßnahmen. Eines ist klar: Auch in der kleinen Dimension braucht Tirol Mut – nur den kann man nicht kaufen.

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KK Fritz Dinkhauser ist gegen Olympische Winterspie­le: „Tirol hat dringliche­re Probleme“
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APA ÖOC-Präsident Karl Stoss sagt: „Die Chance ist einmalig und so groß wie nie“
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GEPA Toni Innauer sieht ein „Fenster der Möglichkei­ten, das sich jetzt auftut“

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