Zum Abschluss noch eine zivile Wahldebatte
Für alle, die den Wahlkampf versäumt haben: In der Elefantenrunde legten alle noch einmal ihre Kernpunkte vor – fast ohne Polemik.
Einer der schmutzigsten Wahlkämpfe der Republik sei das gewesen, behaupten die Moderatoren Tarek Leitner und Claudia Reiterer zu Beginn der sogenannten Elefantenrunde, der Abschlussdiskussion der Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien im ORF.
Christian Kern, SPÖ-Chef und Bundeskanzler, widerspricht nicht: „Diesen Wahlkampf hätten wir uns in der Tat sparen können“, sagt er und will zum nächsten Thema übergehen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz bleibt drauf: Der Wahlkampf „widert viele Menschen zu Recht an“, er aber habe niemanden „angepatzt“, ein Gesetz zum Verbot von „dirty campaigning“, also Schmutzkübelwahlkämpfen, vorgeschlagen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wünscht sich eine Entschuldigung von beiden, SPÖ und ÖVP, für den Wahlkampfstil. Die Grüne Ulrike Lunacek stellt „Zusammenhalt“gegen Spaltung und Hetze, „die nun auch von den Regierungsparteien betrieben“werde. Strolz will zur Disziplinierung die Parteiförderung halbieren.
Worüber sie am Anfang ihrer Regierungszeit entscheiden wollen? Strolz votiert für eine Bildungswende, Lunacek für den Kampf gegen eine Klimakatastrophe, Strache würde die Massenzuwanderung stoppen, Kurz den Sozialstaat langfristig absichern, Kern Vollbeschäftigung anstreben.
Wie soll der Staat Arbeitsplätze schaffen? Ein Bündnis mit der Wirtschaft will Kern schließen, Innovation fördern. Bürokratie zurückzudrängen, fordert Strolz: „Der Unternehmergeist wird am Gängelband durch die Manege gezogen.“Kurz erzählt wieder die Geschichte seines arbeitslosen Vaters und plädiert für mehr Hausverstand, weniger Regeln und raschere Entscheidungen. Strache stößt in dasselbe Horn und erinnert an seine kurze Karriere als Selbstständiger. Heute würde er als Zahntechniker keinen Kredit mehr bekommen, vermutet er. Flächendeckende Kinderbetreuung und einen Mindestlohn von 1750 Euro wünscht sich Ulrike Lunacek.
Was tun mit der Mindestsicherung? Eine gemeinsame Regelung in ganz Österreich verspricht Sebastian Kurz, nach dem oberösterreichischen Modell: geringere Mindestsicherung für Flüchtlinge, „weil sie noch nicht eingezahlt haben“. Zuwanderung ins Sozialsystem sei zu stoppen. Strache hält die Mindestsicherung für verantwortlich für die „Sogwirkung“Österreichs in der Welt. Sachleistungen statt Geldleistungen will er, und mehr Geld für Mindestpensionisten. Kern will die einheitliche Mindestsicherung auch, aber nach Vorarlberger Modell. Das oberösterreichische Modell habe nur 300.000 Euro gespart, nicht 15 Millionen, behauptet Kern. Kurz schüttelt den Kopf und schließt sich der Kritik von Strache an Wien an. Dort werde zu viel bezahlt, weshalb dort die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher Ausländer seien.
Strolz will unkontrollierte Zuwanderung ebenso stoppen und erklärt das Vorarlberger Modell: Sachleistungen und Abschläge für mangelnde Integration. In der Pensionsfrage wirft Strolz den anderen Parteien Verantwortungslosigkeit vor. Kurz habe seine einstige Forderung nach einer Pensionsreform „irgendwo an der Garderobe aufgehängt“. Lunacek lehnt die Unterscheidung zwi-
Ich will in einem Land leben, in dem die Starken stolz darauf sind, sich um Schwache zu kümmern. Mein Ziel ist die Verhinderung von Schwarz-Blau.
Christian Kern,
SPÖ-Spitzenkandidat
schen Österreichern und Nichtösterreichern bei der Mindestsicherung ab. Es ginge nur um 0,8 Prozent der Sozialleistungen. Man müsse die Armut bekämpfen, nicht die Armen, fügt Kern abschließend an.
Strache will die österreichischen Grenzen kontrollieren, 150.000 Menschen seien im Vorjahr aufgegriffen worden, ohne Folgen. Es gebe auch zu wenige Rückführungsabkommen, schuld sei der Außenminister. Strolz will nur befristeten subsidiären Schutz für Kriegsflüchtlinge, dafür möchte er den Zugang zu Arbeitsgenehmigungen erleichtern. Kurz fordert eine Stärkung des Kultusamts, damit es seine Kontrollfunktion wahrnehmen könne. Kern stimmt dem zu und fügt hinzu, Polizei und Heer müssten gestärkt werden.
Lunacek wehrt sich gegen die Vermengung von Migration und politischem Islam, von Flucht und Zuwanderung, die Grüne fordert ein europäisches Asyl- und Migrationssystem. Strolz spricht sich für einen Marshallplan für Afrika aus.
Wenn wir Erster werden, haben wir die Kraft für Veränderungen, aber Rot und Blau haben
offenbar schon gute Gespräche geführt.
Sebastian Kurz,
ÖVP-Spitzenkandidat
Der Klimaschutz ist das Kernanliegen Lunaceks, und es ist einer der seltenen Momente, in denen sich die Wahlkämpfer auch an das junge Publikum im ORFStudio wenden: „Eine Erwärmung um zwei Grad bedeutet, dass unser Planet zerstört wird. Die jungen Leute hier haben dann keine Chance mehr.“
Alle bekennen sich zum Klimaschutz, keinem nimmt Lunacek es ab: Seit dem Klima-Abkommen von Paris habe die Regierung keinen Plan. Die größte Übereinstimmung ergibt sich mit Strolz: Beide sind für eine CO2-Abgabe. Kern ist ebenfalls deutlich: „Weg mit den Nitraten und mit dem Glyphosat und her mit der Elektromobilität.“Strache war „immer schon“für ein Glyphosat-Verbot und verweist auf die Umweltaktivitäten von Norbert Hofer. Kurz ist in der Defensive. Er dankt der österreichischen Bevölkerung für ihr in vielen Bereichen sehr umweltbewusstes Verhalten.
Keine Annäherung beim Thema Bildung: Alle wollen den Lehrenden im Klassenzimmer helfen. Dem Plädoyer von Strolz, die Schule zu befreien aus dem Würgegriff der Parteien und Landeshauptleute, folgt überraschend auch Kern: „Weg mit Ideologie und Politik, das ist ein Elend.“Kurz will sich auf die konzentrieren, die auch nach Ende der Schulpflicht nicht lesen und schreiben können, Lunacek mit den Modellregionen etwas weiterbringen.
Mit dem Anspruch, die fünf Spitzenkandidaten zumindest in Hinblick auf die Umsetzung ihres wichtigsten Reformthemas zum Bekenntnis zu einem „Wunschpartner“zu nötigen, scheitern die Moderatoren. Darauf lässt sich drei Tage vor der Wahl niemand mehr ein.