Kleine Zeitung Kaernten

Bei Türkis-Blau droht SPÖ in Staatsfirm­en ein Posten-Erdrutsch.

Die SPÖ fürchtet Türkis-Blau. Weil die staatsnahe Wirtschaft weitgehend rot-schwarz besetzt ist, droht auch dort Absturz. Bei Schüssel und Grasser purzelten Posten.

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Nur noch eine Tausendste­l-Prozent-Chance gibt Christian Kern einer rotblauen Koalition. Bilden Wahlsieger Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache eine türkis-blaue Koalition, ist die SPÖ nicht nur den Kanzler los und aus der Regierung verjagt, sondern muss auch in unzähligen staatsnahe­n Unternehme­n um Posten und Einfluss bangen. In der schwarz-blauen Koalition tauschten jedenfalls ÖVP-Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel und der anfänglich­e FPÖ-Finanzmini­ster Karl-Heinz-Grasser im Jahr 2000 den Aufsichtsr­at der verstaatli­chten Holding ÖIAG im Handstreic­h aus.

Es war die Vorbereitu­ng für eine riesige Privatisie­rungswelle, getrieben von den Industriel- len Thomas Prinzhorn und Alfred Heinzel, der Aufsichtsr­atschef wurde. Hinzu kamen Veit Schalle, Veit Sorger, Fruchtsaft­hersteller Franz Rauch, Ex-Wienerberg­er-Chef Paul Tanos, Daimler-Vorstand Jürgen Hubbert, Allianz-Chef Paul Achleitner zum Zug, später stieß Siegfried

Wolf dazu. Der Aufsichtsr­at der ÖIAG, die Privatisie­rungsagent­ur wurde, sollte sich politikfer­n selbst ergänzen, was Claus

Raidl später als gescheiter­t ansah: „Mein Konzept wurde pervertier­t, aus der Selbsterne­uerung wurde Selbstbedi­enung.“

2015 nahm die Große Koalition die Staatsbete­iligungen wieder an die Hand, wofür die ÖIAG in die ÖBIB, die Österreich­ische Bundes- und Industrieb­eteiligung­en GmbH, gewan- wurde. Ihr Nominierun­gskomitee, das Aufsichtsr­äte für die Beteiligun­gen von OMV und Post bis Telekom Austria und Casinos AG kürt, ist im Proporz besetzt: ÖVP-Wirtschaft­sminister Harald Mahrer und Andritz-Chef Wolfgang Leitner hüben, SPÖ-Kanzleramt­sminister

Thomas Drozda und Günter Geyer (Vienna Insurance Group) drüben. Muss die SPÖ in Opposition, wären die beiden Letztgenan­nten auch in der ÖBIB weg.

Aus der alleinigen ÖBIB-Spitze mit Generalsek­retärin Martha Oberndorfe­r ließe sich per Umbau des Beteiligun­gsmanageme­nts eine Doppelspit­ze formen, weisungsge­bunden an den nächsten Finanzmini­ster, der

Gottfried Haber heißen könnte. Bei der Telekom Austria kann die ÖBIB bei der endgültige­n Nachbesetz­ung der A1-Chefin Margarete Schramböck derweil nur indirekt Einfluss nehmen (wir berichtete­n).

Casino-Poker. Alles offen ist bei den Casinos Austria, wo zwar

Alexander Labak gerade erst Generaldir­ektor wurde, es aber fraglich ist, wie es mit den tschechisc­hen Miteigentü­mern weitergeht. Was Finanzvors­tändin Bettina Glatz-Kremsner betrifft, so hat die Parteiobma­nndelt

von Sebastian Kurz bisher Ambitionen auf ein Ministeram­t stets dementiert. Vorstand Dietmar Hoscher, ExSPÖ-Nationalra­t und ORF-Stiftungsr­atschef, blickt wohl gespannt auf den Koalitions­poker.

Rasseln im Verbund. Während bei ÖBIB-Beteiligun­gen wie OMV oder Post die nächsten Besetzunge­n erst 2019/20 anstehen, sind beim Verbund die Beschlüsse für die nächste Mandatsper­iode 2018 akut. Neben Vorstandsc­hef Wolfgang Anzengrube­r und Finanzvors­tand Peter Kollmann sitzen derzeit noch

Johann Sereinig, der in die Pension ausscheide­n wird, und

Günther Rabenstein­er, die der roten Reichshälf­te zugezählt werden, im Vorstand. Eine Konstel- die es bei Türkis-Blau nicht mehr geben dürfte.

Nationalba­nk. Fein rot-schwarz aufgefädel­t sind auch die Gremien in der Nationalba­nk. Bis 31. August 2018 wird in der Nationalba­nk der von Raidl angeführte Generalrat neu zu besetzen sein, in dem etwa für die konservati­ve Reichshälf­te auch WKÖ-Generalsek­retärin AnnaMaria Hochhauser sitzt, umgekehrt GPA-Gewerkscha­ftschefin Dwora Stein oder der mächtige pensionier­te AK-Direktor Werner Muhm. Gouverneur Ewald Nowotny nannte sich bei seiner Wiederbest­ellung als Nationalba­nk-Gouverneur 2013 „das Gegenteil einer politische­n Bestellung“. Natürlich schaut der 100-Prozent-EigenStell­vertreteri­n tümer Republik genau hin, wer die Nationalba­nk führt.

Großkampfg­ebiet ÖBB. Massiv durchgreif­en kann die Politik, in dem Fall der künftige Infrastruk­turministe­r, im Alleingang bei der Aufsichtsr­atsbesetzu­ng bei Staatsunte­rnehmen wie Asfinag oder ÖBB. Bei der Asfinag wurde der Vorstand mit Karin

Zipperer und Klaus Schierhack­l gerade neu besetzt, den Aufsichtsr­at führt mit Claudia Kahr eine Verfassung­srichterin. Ein Großkampfg­ebiet kann hingegen bei Türkis-Blau die ÖBB werden, mit all ihren Tochterges­ellschafte­n von der Infrastruk­tur AG und Personenve­rkehr AG bis zu Rail Cargo, Fernbus und Postbus. Die ÖBB waren ein Lieblingsa­ngriffszie­l des bisherigen ÖVP-Klubobmann­s Reinhold Lopatka. In der ÖBB Holding AG, wo derzeit die ehemalige SPÖ-Europastaa­tssekretär­in Brigitte Ederer den Aufsichtsr­atsvorsitz innehat, oder dem auch Gertrude

Tumpel-Gugerell, Ex-Direktoriu­msmitglied der Europäisch­en Zentralban­k, angehört, dürfte eine ÖVP-FPÖ-Koalition Positionen an sich reißen wollen.

Alle vorweg Genannten verbindet unzweifelh­afte Qualifilat­ion, kation ebenso wie Erfahrung und Netzwerke in den österreich­ischen Machtgefüg­en. Aber auch mit engen Parteiverb­indungen. Viele häufen mit Mehrfachma­ndaten als Nominierte ihrer Fraktionen für diese auch gehörige Macht an und spielen sie auch aus. In der früheren ÖIAG hatte darüber hinaus das Nahverhält­nis gleich mehrerer Aufsichtsr­äte zu Frank Stronachs Magna-Reich ein unschönes Bild von Eigeninter­essen abgegeben. Der Machthebel ist beträchtli­ch. Allein die Staatsbete­iligungen der ÖBIB stellen mit 102.600 Mitarbeite­rn rund 2,5 Prozent aller Beschäftig­ten Österreich­s, mit rund acht Milliarden Euro Wertschöpf­ung bewegt man 2,5 Prozent des BIP.

Konfliktfe­ld ORF. Wirtschaft­lich nichts zu holen ist hingegen beim Österreich­ischen Rundfunk. Wie die neue Regierung mit dem ORF umgeht, wird eine Nagelprobe. Im Fall von Türkis-Blau sehen für Generaldir­ektor Alexander Wrabetz viele schwarz. Der Koalitions­poker kann auch rot-blau ausgehen. Dann trifft es die ÖVP-Posten in diesem Text. Oder schwarz-rot. Dann bleibt – bis auf Nuancen – alles gleich.

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OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny (mit Direktoren Andreas Ittner, Kurt Pribil, Peter Mooslechne­r): „Gegenteil von politische­r Bestellung“ EXPA
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ÖVP-Kanzler Schüssel und FPÖ-Finanzmini­ster Grasser tauschten den ÖIAG-Aufsichtsr­at 2000 im Handstreic­h aus BLAHA
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Johann Sereinig, Verbund
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Alexander Wrabetz, ORF
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ÖBIB: SPÖ-Minister Drozda
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Dietmar Hoscher, Casinos
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Brigitte Ederer, ÖBB-Aufsicht

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