Geflügelte Worte auf dem Prüfstand
Die Wahrheit kommt mit wenigen Worten aus“, hat einer gesagt, der nicht im Verdacht steht, mit Österreich verhabert oder verfeindet gewesen zu sein. Der Satz des chinesischen Philosophen Lao-Tse bildet demnach eine vorurteilssterile Arbeitshypothese unseres diesjährigen Schwerpunkts zum Nationalfeiertag. Quer durch diese Ausgabe prüfen wir nämlich die Alltagstauglichkeit berühmter Aussagen, Aphorismen oder Aussprüche über Österreich.
Ist alles wahr, was da so über dieses Land von hellen Köpfen, spitzen Zungen und wachen Geistern gesagt wurde? Stimmen die Zu- und Beschreibungen rot-weiß-roter Befindlichkeiten und Gewohnheiten noch? Oder hat sich im Laufe der Zeit eine Patina aus Verklärung und Verdrängung über die Zitate gelegt und sie zu verstaubten Versatzstücken der „guten alten Zeit“L werden lassen? ipizzaner, Sängerknaben, Donau(-walzer), Mozart(-kugeln), Philharmoniker: Formatfüllend haben sie über Jahrzehnte das Hochglanzbild dieses Landes geprägt. Und heute? Was gilt noch? Außer der Neutralität – weil: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität.“– So steht es im Bundesverfassungsgesetz, das am 26. Oktober 1955, also heute vor 62 Jahren, im Nationalrat verabschiedet wurde. Ursprünglich sollte an diesem Tag jedes Jahr die österreichische Flagge gehisst werden, wodurch der Begriff „Tag der Fahne“entstand. 1965 wurde daraus der Nationalfeiertag, zwei Jahre später durch die gesetzliche Feiertagsruhe zu einem arbeitsfreien Tag aufgewertet. Fahnen wie Reden werden aber immer noch geschwungen. Nicht selten wird darin der Pracht des Landes gehuldigt.