Kleine Zeitung Kaernten

Der eine Mantel, der für alle reicht

Zu Martini wird mit zahlreiche­n Bräuchen und einer eingängige­n Legende an den „großen Solidaritä­tsheiligen Europas“erinnert.

- Daniel Hadler

Die Erzählung wird jungen Menschen zwar nicht in die Wiege gelegt, spätestens im Kindergart­en lernen aber die meisten die bis heute relevante Legende kennen: Mit Lichterlat­ernen in der Hand besingen Kinder rund um Martini den heiligen Martin, seine Barmherzig­keit und seine ausgeprägt­e Liebe zum Menschen, die dazu führt, dass man seiner in wohl gepflegter Tradition auch nach 1620 Jahren noch an seinem Todestag gedenkt.

Den „innersten Kern des Martinsfes­tes“verortet der Tübinger Religionsp­ädagoge Albert Biesinger im Ritual der Mantelteil­ung: Martin, Sohn eines römischen Tribuns, soll der Legende nach als Soldat seinen Mantel geteilt haben, um ihn mit einem frierenden Bettler zu teilen. Das mache ihn bis heute „zum großen Solidaritä­tsheiligen Europas“, erklärt Biesinger, der gleichzeit­ig vor einer Banalisier­ung des Festes warnt. Nicht die Botschaft stehe zunehmend im Zentrum, sondern die Fülle an Bräuchen. An vorderster Front tummeln sich dabei die Martinigän­se, die Jahr für Jahr um den Martinstag, meist in Zweisamkei­t mit Rotkraut, auf den heimischen Tellern landen. Rund 250.000 Tiere sollen es je- des Jahr sein. Zu „verdanken“haben die Vögel diese kulinarisc­he Tradition einem Verrat: Martin wollte sich bekanntlic­h im Gänsestall der Kür zum Bischof entziehen – ein Versuch, den das Geschnatte­r der Gänse verhindert­e.

Martin ist der erste christlich­e Heilige, der nicht den Märtyrer-Tod starb. Seine Verehrung, die schon kurz nach seinem Ableben einsetzte, manifestie­rt sich in zahlreiche­n Patronanze­n: Soldaten, Hirten, Gastwirte, Hufschmied­e und Bettler stehen unter seiner Schutzherr­schaft. Zudem sind ihm zahlreiche Kirchen geweiht – allein in Kärnten sind es 40. Auch ein Tier steht unter der Schutzherr­schaft des Heiligen. Wenig überrasche­nd sind es nicht die Gänse. Sondern die Pferde.

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Martin teilt seinen Mantel mit einem Bettler

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