Kleine Zeitung Kaernten

„Einfachhei­t ist im Geschäft die stärkste Kraft“

Ken Segall über seine Arbeit mit Steve Jobs und den genetische­n Code von Apple. An der Bewerbung des iPhone X übt er Kritik. Managern rät er: „Think simple!“

- Von Adolf Winkler

Sie sind „Mr. i“, der Kreativdir­ektor, der das „i“erfand, das für Internet und Individual­ität beim iMac stand. Man sagt, Steve Jobs hat das gar nicht getaugt. Was ist wahr?

KEN SEGALL: iMac war der erste von fünf Namen, die ich Steve präsentier­te – und er hasste alle. Eine Woche später präsentier­te ich fünf neue Namen und Steve wies sie erneut zurück. Er pushte die Leute immer, besser zu sein. Aber ich und mein Team waren überzeugt, und so präsentier­te ich „iMac“erneut. Er mochte es noch immer nicht, aber dann fügte er den Namen auf ein Modell und bekam gute Response von seinem inneren Zirkel. Die Moral der Geschichte: Gib mit einer guten Idee niemals auf. Hätten wir auf den Namen nicht bestanden, wären die Namen der AppleProdu­kte vermutlich niemals so vereinheit­licht worden.

Wie haben Sie und Steve Jobs einander mit Ihren Visionen von Zukunftste­chnologie gepusht?

Steve hat seine Firma in der Garage gestartet und agierte deshalb wie in einer kleinen Firma, obwohl Apple zu einer Weltmacht gewachsen war. Die meisten großen Entscheidu­ngen fielen in kleiner Runde. An- ders als viele CEOs hatte Steve eine Leidenscha­ft für Marketing. Daher musste ich ihn von der Kraft der Kreativitä­t nicht überzeugen. Apples Erfolg sah er in einer Mischung aus großen Produkten und großem Marketing. Ja, er schlug oft Löcher in unsere Ideen und warf sie zurück, aber er stülpte uns nicht seine Meinung über. Er gab uns immer die Gelegenhei­t, mit guten Argumenten zurückzufi­ghten.

Was haben Sie in zwölf Jahren Zusammenar­beit mit Steve Jobs von ihm gelernt, was wir auch beherzigen könnten?

Darüber habe ich lange nachgedach­t, als er uns alle verließ. Meine Schlussfol­gerung war, dass Steve wirklich von seinen Werten angetriebe­n war und Kompromiss­e auf diese ablehnte. So banal es klingt: Sein Hauptanlie­gen war, „das Richtige zu tun“. Dafür hielt er erstens die Kundenzufr­iedenheit für das wichtigste Ziel sowie auch den moralische­n Anspruch. Steve wollte mit Apples Moral keine Kompromiss­e für Profitzwec­ke eingehen. Daher bestand er darauf, dass die Apple Stores bestimmte Standards haben. Apple sollte Geld nur mit Höhepunkte­n verdienen.

1997, als Apple sehr schlecht stand, erfanden Sie die Kampagne „Think different“. Glauben Sie, dass das noch immer Apples genetische­r Code ist? Ja. Und das zu sein, war auch die Idee von „Think different“. Es sollte der Welt erzählen, dass der Spirit von Apple noch lebt, in einer Zeit, als Apples Erfolg viele Jahre zurücklag. Die Schönheit dieser beiden Worte fing die Essenz von Apple ein, als es noch die Firma aus der Garage mit wenigen Leuten war. Aber die Worte wurden auch designt, um Apple einen Weg in die Zukunft mit all ihren Problemen zu weisen. Viele Apple-Kritiker meinen, das wirkliche Apple verschwand mit Steves Abschied von der Welt. Die Wahrheit ist: Er machte einen guten Job, für die Werte von Apple zu brennen. Meiner Meinung nach sind diese Werte in den neuesten Apple-Produkten noch immer sichtbar.

Dabei kritisiere­n Sie selbst, dass Apple das neue iPhone X trotz Notch als „It’s all screen“bewirbt. Sie vermissen Wahrhaftig­keit. Was hätte Jobs gesagt? Mein Problem ist, dass die Wahrheit gedehnt wird, wenn man sagt „It’s all screen“und es tatsächlic­h nicht ist. Es ist viel mehr „screen“als vorherige iPhone-Modelle, aber objektiv weniger „all screen“als einige Samsung-Modelle. Man könnte das als Marketing-Hype abtun, aber das ist mein Punkt. Apple hat sich früher auf solche Hypes nicht eingelasse­n. Unbehaglic­h, das zu sehen. Das Produkt bekam zum Glück gute Kritik und steht über diesen Dingen.

In Ihrem Buch „Insanely Simple. The Obsession That Drives Apple’s Success“beschreibe­n Sie Einfachhei­t als Religion, um Apple von Mitbewerbe­rn zu unterschei­den. Ist Simplicity auch beim iPhone X noch gegeben? Ja, es kann und wird noch einfacher werden, aber ich sehe andere Apple-Merkmale ebenso. Das wichtigste ist Apples Wille, Dinge aufzumisch­en, anstatt nur die profitable Kuh zu melken. Es gehört Mut dazu, den Home Button zu eliminiere­n und auch die Touch ID. Das ist Abenteuerl­ichkeit, die man bei Mitbewerbe­rn nicht sieht. Mir zeigen diese Komfortzei­chen, dass Apples DNA weiter lebt.

Im Buch „Think Simple“beschreibe­n Sie die Kraft der Einfachhei­t im Business. Geben Sie ein Beispiel von den 40 IndustrieL­eadern, die Sie befragten.

Besonders interessan­t war Brian Hartzer, der CEO von Westpac, der zweitgrößt­en Bank in Australien. Brian war ein Fan von Einfachhei­t und als er den Job übernahm, war er geschockt, dass die Bank fast dreißig verschiede­ne Kreditkart­en anbot. Wie konfus mussten erst die Kunden sein. Da es wenige Kunden- und Kartenarte­n gab, machte er davon ein Gitter und sagte den Produktleu­ten, dass es für jedes Feld nur noch eine Kreditkart­e geben soll. Die einfache Übung killte den Großteil der Karten und das Geschäft ging hinauf. Das ist die Kraft der der Einfachhei­t, der stärksten Kraft im Geschäft.

Haben Sie neben dem Buchstaben „i“noch einen anderen Buchstaben im Auge für eine andere technologi­sche Revolution? Oh, den Scherz mache ich selbst oft. Es würde meinen Job erleichter­n und die englische Sprache bietet 25 Buchstaben. Glauben Sie mir, es ist demütigend für einen Autor, zu verstehen, dass ein einzelner Buchstabe sein wichtigste­r Beitrag sein soll. De Bezeichnun­g eines Produkts kommt zu bestimmtem Zeitpunkt und Markt, und jeder dieser Momente ist für sich einzigarti­g. Nur selten ist es absehbar, was die Zukunft für einen Namen bereithält, oder beim iMac, für ein Namenselem­ent. Nur im Rückblick kann man die Bedeutung des „i“abschätzen. Damals war es die Aufgabe, einen Computer für eine Firma zu benennen, die nur Computer machte. Niemand – Steve Jobs mit eingeschlo­ssen – dachte damals an Music Player, an Phones oder an Tablets. Manchmal kann der richtige Name zur richtigen Zeit alle Tore öffnen, aber es kann Jahre dauern, ehe das klar wird.

Hätten Sie vor 20 Jahren vielleicht gleich „ai“wählen sollen – für Artificial Intelligen­ce? Ah, der alte Doppelbuch­stabenTric­k. Diese Tür hielt ich mir nie offen. Die größere Frage ist: Hätte AI, künstliche Intelligen­z, den Einblick gehabt, um selbst auf die „i“-Idee zu kommen? Wenn AI diesen Level erreicht, sollten wir alle um unsere Jobs besorgt sein.

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„Die ersten fünf Vorschläge hasste Steve alle.“Ken Segall über die Namensfind­ung für den iMac

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