Kleine Zeitung Kaernten

Mutter muss schwere Bürde alleine tragen

Mutter muss für Sohn mit schwerer Behinderun­g und seine Schwestern alleine sorgen. Ihr fehlen die Mittel für Therapien und Wohnung.

- Von Elke Fertschey

Was er sich zu Weihnachte­n wünscht, erfährt man nicht. Auch nicht, ob er weiß, was Weihnachte­n ist. Alexander* (13) bleibt stumm oder lacht nur, wenn man ihn etwas fragt. Manchmal schüttelt er den Kopf oder sagt „Ah, ah“, fallweise spricht er Worte irgendwie nach, ohne sie zu verstehen.

Alexander weist schwere Entwicklun­gsund Sprachverz­ögerungen sowie autistisch­e Züge auf. „Er ist geistig und sprachlich auf dem Niveau eines Dreijährig­en“, sagt seine Mutter, die jeden Abend mit ihm zu Bett gehen und neben ihm liegen muss, weil er sonst nicht einschlafe­n kann. Wenn sie nicht bei ihm ist, kann Alexander nicht auf die Toilette gehen. Außer in der Sonderschu­le, an die er sich schon gewöhnt hat. An anderen Orten braucht er eine Windel. Er kann sich auch nicht alleine an- und ausziehen. „Er braucht überall Unterstütz­ung, ob beim Zähneputze­n oder der Körperpfle­ge“, erzählt Mutter Ingrid F.* Wenn sie nicht dabei ist, schüttet er das Shampoo aus, schmiert die Creme auf die Fliesen oder kostet die Seife.

Der autistisch­e Bub braucht für alles viel Zeit. „Er kann eine halbe Stunde nur aus dem Fenster schauen, wie die Blätter fallen.“Manchmal versucht er, ein Puzzle zusammenzu­setzen. Aber das Interesse währt nur kurz. „Er hat keine Ausdauer“, weiß Ingrid F. und streichelt dem Buben über die Haare. Alexander strahlt. „Ich glaube, er ist schon ein glückliche­s Kind.“Kein Wunder, bei so viel Mutterlieb­e! „Alexander kann nicht mit dem Bus fahren, weil er nicht weiß, wo er aussteigen muss.“Daher muss ihn die Mutter in die Schule führen und bis zur Klasse begleiten. Oft wird sie in die Schule gerufen, weil der Bub vergessen hat, auf die Toilette zu gehen. „Ich muss immer abrufberei­t sein“, erklärt Ingrid F., warum sie nicht mehr arbeiten gehen kann, wie sie es vor Alexanders Geburt gemacht hat. Damals war sie auch noch verheirate­t und freute sich über zwei gesunde Töchter.

Doch einige Jahre nach Alexanders Geburt, als seine Entwicklun­gsrückstän­de immer offensicht­licher wurden, änderte sich alles. Sein Vater lehnte ihn ab, war nur mehr selten zu Hause, ließ seine Frau mit Kindern und Sorgen immer mehr alleine. Dann wurde Ingrid F. von ihrem Mann zur Scheidung gedrängt. Als sie nicht wollte, kam es zu Gewalttäti­gkeiten. „Mir wurde das Leben zur Hölle gemacht.“Ingrid F. willigte schließlic­h in die Scheidung ein, erhielt allerdings wegen

schlechter juristisch­er Beratung nur befristete­n Unterhalt, der jetzt ausgelaufe­n ist. Das Haus, das sie mit aufgebaut und mit der Familie bewohnt hatte, musste sie mit ihren drei Kindern verlassen.

Nun lebt die vaterlose, vierköpfig­e Familie in einer HochhausWo­hnung ohne Lift, was für Alexander nicht einfach ist, weil er nur schwer gehen kann. Aber eine andere Wohnung sich die Mutter nicht leisten. Die Adaptierun­g der Wohnung hat viel Geld gekostet, eine Küche musste besorgt werden. Es fehlen noch viele Möbel und Gebrauchsg­egenstände.

Das Geld für Ablöse, Kaution, Reparatur und neue Reifen für den alten Gebrauchtw­agen hat sich Ingrid F. geliehen. 600 Euro für eine Zahnoperat­ion sind auch noch offen. Ingrid F. ist verzweifel­t. „Ich kann mir nichts ersparen. Es fehlt auch Geld für Alexanders Therapie und den Pflegeaufw­and, der immer größer wird.“Alexander brauche leider Pampers, teure orthopädis­che Schuhe und Medikament­e, die selbst bezahlt werden müssen. Das Autistentr­aining, das 45 Euro im Monat kostet, wird von der Krankenkas­se nicht übernommen.

Zur Physiother­apie, die in der Schule angeboten wird und 300 Euro pro Monat kostet, muss die Mutter den Großteil selbst dazuzahlen. Die Ergotherap­ie, die mit 500 Euro zu Buche schlägt, konnte sie ihrem Sohn heuer gar nicht zuteilwerd­en lassen. Die Töchter müssen ihre Hausaufgab­en in der Schule machen, weil sie zu Hause keikann nen Computer haben. Der Kindesvate­r wolle sich an den Kosten nicht beteiligen, seit Jahren habe er keine Geburtstag­s- oder Weihnachts­geschenke gebracht, erzählt Ingrid F., die sich sehr allein gelassen fühlt. „Ich muss Mutter und Vater für meine Kinder sein.“

Gerne würde sie Alexander Musikthera­pie bieten oder Freizeitas­sistenz, damit er mit fachkundig­er Begleitung etwas unternehme­n könne. Doch das, was sich Ingrid F. für ihren Sohn wünscht, kann nur in Erfüllung gehen, wenn andere Menschen helfen.

* Namen von der Redaktion geändert

Kennzahl: 5

Ich versuche, Vater und Mutter für meine Kinder zu sein. Alexander braucht überall Unterstütz­ung, ich

muss ständig abrufbar sein.

Ingrid F.

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Mit viel Liebe, Hingabe und Ausdauer sorgt die Mutter für ihre Kinder und ersetzt ihnen den Vater KLZ/TRAUSSNIG (AUFNAHME GESTELLT)

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