Mehr Strenge in Pflichtschulen
DEUTSCH. Wer nicht Deutsch kann, muss in Vorschule. SANKTION. Bei Verstoß wird Familienbeihilfe gekürzt. NOTEN. Aus für mündliche Beurteilung an Volksschulen. ETHIK. Wer sich von Religion abmeldet, muss in Ethikunterricht. BIFIE. Das umstrittene Bildu
Das nächste Verhandlungskapitel ist abgeschlossen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef HeinzChristian Strache haben gestern ihr Bildungspaket geschnürt und anschließend den Medien vorgestellt. Die inhaltlichen Differenzen hielten sich in dieser Frage in Grenzen, beide Parteien halten am differenzierten Schulsystem fest, befürworten eher einen rigideren, weniger experimentellen Kurs und haben nichts mit der Gesamtschule am Hut.
Die allergrößten Brocken, die Türkis und Blau trennt, müssen allerdings noch aus dem Weg geräumt werden, etwa die Frage des Kammerzwangs, die direkte Demokratie, die Zusammenlegung der Sozialversicherungen (wie viele?), das Volumen und die zeitliche Ausgestaltung einer Steuerreform, das Rauchverbot, das Personalpaket. In dem Kontext zeichnet sich ab, dass Strache doch nicht Innenminister werden dürfte – wegen der Dreifachbelastung als Minister, Vizekanzler, FPÖ-Chef. Zu den Vorhaben:
1 Kindergarten ab vier. Im Alter von vier Jahren haben sich alle Kinder einem Sprachtest (Sprachstandsfeststellung) zu unterwerfen. Wer schlecht Deutsch spricht, muss bereits mit vier, also ein Jahr früher als gesetzlich verpflichtet, in den Kindergarten. Die künftige Regierung beziffert die Mehrkosten für dieses zweite verpflichtende Kindergartenjahr mit 70 Millionen Euro.
2 Volksschule. Vor dem Schuleintritt müssen sich alle Kinder einem Aufnahmegespräch unterziehen. Wer sprachliche Defizite ausweist, wechselt in die Vorschule.
3 Deutschklassen. Wer dem Unterricht nicht folgen kann, wird einer eigenen Deutschklasse zugeteilt. Davon sind vor allem rund 40.000 außerordentliche Schüler betroffen. Sind die Fortschritte mangelhaft, können die Schüler zum Besuch von Nachmittagskursen und sogar von Sommerkursen verpflichtet werden. 4 Sanktionen. Bei Verstößen gegen die Schul- und Bildungspflicht können vom Staat Transferleistungen (Familienbeihilfe) gekürzt werden.
5 Noten. Wie bereits in der gestrigen Ausgabe berichtet, soll, wie genau formuliert ist, die „Notenwahrheit“in allen Schultypen wiederhergestellt werden. Ab der ersten Klasse Volksschule gilt künftig wieder die klassische Skala von 1 (Sehr gut) bis 5 (Nicht genügend). Verbale Benotungen sind nur noch zusätzlich möglich.
6 Talente-Check. Am Ende der 3. Volksschulklasse absolvieren die Schüler einen standardisierten, verbindlichen Talente-Check, quasi als Entscheidungshilfe für die weitere Schulkarriere.
7 Chancen-Pass. Zu Beginn der siebenten Schulstufe werden die Kompetenzen der Schüler getestet, das soll Aufschluss geben über eine allfällige Spezialisierung in der Oberstufe (etwa Sprachen oder Naturwissenschaft).
8 Eingangsverfahren. Die Idee, an AHS die alte Aufnahmeprüfung wieder einzuführen, weil die Benotung in der vierten Klasse Volksschule oft auf Druck der Eltern zustande kommt, wurde wieder fallen gelassen. Nun ist eine Art von Eingangsverfahren vorgesehen. So sollen sich die Schulen leichter als bisher ihre Schüler aussuchen können.
9 Ganztagsschule. Die Regierung verpflichtet sich zum Ausbau der Ganztagsschulen. Zwar bekennt man sich zum verschränkten Unterricht, die Wahlfreiheit soll allerdings gewährleistet bleiben. 10
Gymnasium. Die neue Regierung legt ein klares Bekenntnis zu einem differenzierten Schulsystem ab. 11
Eliteschulen. Nach dem Vorbild der Karl-PopperSchule sollen in allen Bundesländern Schulen für Hochbegabte eingerichtet werden. Auch soll von der Regierung eine eigene Begabtenförderungsstrategie ausgearbeitet sowie die Talenteförderung ausgebaut werden.
12 Sonderschulen. Die künftige Regierung will das Sonderschulwesen nicht nur erhalten, sondern weiter ausweiten. Auch soll die Inklusion von Kindern mit besonderem För- derbedarf in klassischen Regelschulen verstärkt werden.
13 Aus für Bifie. Die neue Regierung will das von SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied 2008 gegründete Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) schließen. Die Institution hatte in der Vergangenheit durch Datenlecks und andere Missgeschicke immer wieder für Schlagzeilen gesorgt.
14 Pflicht zur Fortbildung. Lehrer sollen künftig zur Fortbildung verpflichtet werden. Die Maßnahmen sollen auf der Grundlage des ECTS-Punktesystems erfolgen.
15 Umorientierung. Lehrern soll stärker als bisher die Möglichkeit zur Um- oder Neuorientierung innerhalb des Schulwesens eingeräumt werden. Auch sollen Quereinsteiger oder Rückkehrer künftig unbürokratischer als bisher angestellt werden können.
16 360-Grad-Feedback. Der Regierung schwebt die Einführung eines anonymisierten 360-Grad-Feedbacks durch Schüler an Lehrer vor, das als Basis für Mitarbeitergespräche herangezogen werden soll.
17 Durchforstung. Alle Erlässe des Ministeriums sollen durchforstet werden. Angeblich sind seit 2008 allein
1000 Erlässe im Bereich Gender ausgeschickt worden. 18
Ethikunterricht. Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden, sollen künftig verpflichtend an einem Ethikunterricht teilnehmen. 19
Digitales und Wirtschaft.
Es werden zwar keine neuen Fächer eingeführt, die Vermittlung digitaler Kompetenz sowie unternehmerischen Denkens wird ausgedehnt.
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Lehre. Die Koalition setzt einen Schwerpunkt im Bereich Lehre und Mintfächer. Im Gespräch ist ein Stipendiensystem für die Meisterprüfungen.
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Auslandsschulen. Das Netz der von Österreich betriebenen Auslandsschulen wird ausgeweitet. Auf Betreiben der FPÖ soll in Slowenien (Stärkung der Minderheit) eine Schule eröffnet werden.