Kleine Zeitung Kaernten

„Handke ist halt sein eigener Gott“

„Wunschlose­s Unglück“, glasklar. Bibiana Beglau, Schauspiel­erin des Jahres 2014, liest am 75. Geburtstag von Peter Handke im Stadttheat­er Klagenfurt.

- Von Uschi Loigge

Sie lesen zum Geburtstag von Peter Handke „Wunschlose­s Unglück“. War das Ihre Wahl?

BIBIANA BEGLAU: Das war sogar mein Vorschlag.

Wieso?

Ich habe in „Immer noch Sturm“gespielt. Da gibt es sehr viele Sätze, die Handke im „Wunschlose­n Unglück“angeschrie­ben hat, wo es nicht weitergeht. Zum Beispiel das frischgeba­ckene Brot mit der Butter. In „Immer noch Sturm“hat er den Satz zu Ende geschriebe­n: das frischgeba­ckene Brot und die frischgest­ampfte Butter mit dem Wassertrop­fen oben auf dem Klumpen. Die Singer-Nähmaschin­e kommt auch vor, und zwar in den gleichen Zusammenhä­ngen. Das war ein Grund. Und es ist sein Geburtstag, er war seiner Mutter sehr verbunden, es geht um Klagenfurt. Da kann man nur diesen Text nehmen.

„Wunschlose­s Unglück“wurde früher in den österreich­ischen Schulen viel gelesen.

Das find ich total richtig. Es ist ja fast ein frauenrech­tlicher Text, weil er sagt: Die Mutter hatte ja nie Möglichkei­ten. Dann äußert sie einmal einen Wunsch, und der Vater sagt Nein. Für sie war es eh immer schon vorbestimm­t: krank, todkrank, tot. Ich finde, es ist einer seiner stärksten Texte, ein wichtiger und toller Text. Er zeigt eine bestimmte Anbindung und Verlorenhe­it, eine Anbindung an die Familie und gleichzeit­ig der Abgesang der Familie.

Ähnlich wie in „Immer noch Sturm“, wo Sie in der Uraufführu­ng 2011 die Tante gespielt haben, Ursula, die dann zu den Partisanen in den Wald gegangen ist.

Genau, und da gab es auch noch die Mutter, die Oda Thormeyer gespielt hat.

Haben Sie Peter Handke persönlich kennengele­rnt?

Ja, habe ich.

Wie lief das, er ist ja scheu und dann auch ...

... funny walking. Er ist so wie Bob Dylan. Handke weiß halt, wann er auftreten muss, wann er abtreten muss. Wenn die Leute auf ihn warten, lässt er sie noch ein bisschen länger warten. Ein total geschickte­r Gesellscha­ftsstrateg­e, der hat nicht umsonst mit der blauen Sonnenbril­le bei der Gruppe 47 im Hintergrun­d gesessen. Der ist schon sein eigener Gott.

Wenn Sie auf der Bühne stehen, sagen Sie: Ich spiele nicht, ich propagiere. Wie ist das bei einer Lesung?

Da versuche ich mich hinter den Autor zu stellen. Leider kann ich nicht alles vorlesen. Ich fahre gerade zu einer Probe nach Berlin, wo wir einiges versuchen werden, auch hinsichtli­ch meines Wunsches, dass man vielleicht „Immer noch Sturm“anklingen hört. Aber ich versuche mich ganz hinter die Worte des Autors, seine Interpunkt­ion und seinen Rhythmus zu stellen. Also: Wie weit ist ein Satz von mir entfernt? Was weiß ich über diesen Satz? Deshalb mag ich das „Wunschlose Unglück“so wahnsinnig gerne, weil es auf ganz eigentümli­che Art viel mit mir zu tun hat. Mehr kann ich nicht sagen, aber es ist jedenfalls ganz dicht an mir dran.

Vielleicht ist es Handkes Parteinahm­e für das Übersehene, das Unscheinba­re. Das ist Ihnen ja auch nahe.

Na ja. Nein. Es ist der nüchterne Blick auf diese Menschen, auch auf den Sparkassen­mann, diesen alten Nazi ... es ist hart formuliert und zärtlich, glasklar beobachtet, und trotzdem schwingt große Empathie mit mit den Menschen und ihrer Zeit und wie sie in ihrer Zeit stehen müssen. Und wie furchtbar viele Menschen auch geistig, seelisch zerrieben werden. Das ist das, was mich eher interessie­rt, nicht das Übersehene bei der Mutter und sein ganzes Gejammere, dass er das jetzt aufschreib­en muss, bevor die Idee weg ist und der Schmerz verklungen. Es ist der Blick in diese Zeit.

Wunschlose­s Unglück. Bibiana Beglau liest Peter Handke. 6. 12., 19.30 Uhr. Stadttheat­er Klagenfurt.

Karten: Tel. 0463 54 0 64

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APA/GINDL „Immer noch Sturm“: Bibiana Beglau setzt der Mutter (Oda Thormeyer) zu

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