Kleine Zeitung Kaernten

Das Inferno wird aufgerollt

Strafverfa­hren zur Duisburger Loveparade-Katastroph­e von 2010 startet. Ein wichtiger Prozess, dem jedoch die Verjährung droht.

- Von Thomas Golser

Bis zum 24. Juli 2010 stand der Name Loveparade für kollektive­s Zelebriere­n, für Fröhlichke­it und Lust am Leben. 1989 war das Musikfesti­val, das von Beginn an das Prinzip Dezibel in den Mittelpunk­t rückte, mitten in Berlin und aus einer Laune heraus erstmals veranstalt­et worden. In den Jahren danach wurde es zu einem Ereignis für Hunderttau­sende. In Duisburg fand die Technopara­de ein jähes, tragisches Ende. Nun, gut sieben Jahre später, wird die Katastroph­e vor einem Strafgeric­ht verhandelt.

Wo eben noch Feierlaune vorherrsch­t, gerät die Situation im Sommer 2010 völlig außer Kontrolle: Viel zu viele Menschen – berichtet wird von mindestens sechs Personen pro Quadratmet­er – drängen sich am einzigen Ein- und Ausgang. Besucher werden auf dem Gelände des einstigen Hauptgüter- und Rangierbah­nhofs niedergetr­ampelt und erdrückt. 21 Menschen sterben, über 660 werden verletzt. Dazu kommen verborgene Blessuren: Bei der Loveparade­Stiftung melden sich bis heute traumatisi­erte Menschen, die das Unglück psychisch aus der Bahn warf.

Heute beginnt ein Mammutverf­ahren, dem ein jahrelange­s juristisch­es Tauziehen voranging. Erst heuer wurde klar, dass das Geschehene auch in einem Strafproze­ss aufgerollt wird. Das Landgerich­t hatte die Anklage gegen zehn Beschuldig­te zunächst nicht zur Verhandlun­g zugelassen – mangels Erfolgsaus­sichten, wie es hieß. Staatsanwa­ltschaft und Nebenkläge­r legten Beschwerde ein. Peinsames Gezerre um die Suche nach Schuldigen: Genehmigun- gen, Planung, Abwicklung – wer trägt Verantwort­ung?

Die Ausmaße des Verfahrens sind enorm. Das Gericht zog für den Prozess in eine Messehalle, 600 Sitzplätze sind vorgesehen. Auf der Anklageban­k sitzen sechs Mitarbeite­r der Stadt Duisburg und vier Mitarbeite­r des Veranstalt­ers. Sie werden von 24 Anwälten verteidigt, vorgeworfe­n wird ihnen unter anderem fahrlässig­e Tötung. Adolf Sauerland, damaliger Oberbürger­meister, nannte Rücktritts­forderunge­n „nachvollzi­ehbar“, wurde aber erst 2012 durch ein Bürgerbege­hren der Bürgerinit­iative „Neuanfang für Duisburg“abgewählt.

Auch ein Urteil im Prozess könnte den Neustart erleichter­n. Die Zeit drängt indes: Das letzte Opfer verstarb am 28. Juli 2010 – die absolute Verjährung­sfrist läuft daher spätestens mit dem 27. Juli 2020 ab.

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