Kleine Zeitung Kaernten

Der Fall des Seiltänzer­s

Er war der Talentiert­este aus Jörg Haiders „Buberl-Partie“und der Popstar der schwarz-blauen Regierung bis 2007. Aber Karl-Heinz Grassers Seiltanz zwischen Geldadel und Politik war immer gefährlich.

- Von Ernst Sittinger Am Ministerra­tstisch war Grasser unübersehb­ar und unüberhörb­ar. Stille Zurückhalt­ung war nicht seine Art. Martin Bartenstei­n Ex-Wirtschaft­sminister

Jung, fesch und begabt. Er war der Popstar unter

Österreich­s Politikern. Doch dann hat Karl-Heinz Grasser das Glück verlassen.

Ab Dienstag sitzt der ehemalige Finanzmini­ster im Buwog-Korruption­sprozess auf der Anklageban­k.

Ein Porträt.

So schnell konnte in Jörg Haiders Kärntner Oligarchen­zeit ein politische­r Aufstieg vonstatten­gehen: 1992 war Karl-Heinz Grasser noch Student der Betriebswi­rtschaftsl­ehre in Klagenfurt, 1993 Generalsek­retär der FPÖ, 1994 wurde er als Vizelandes­hauptmann angelobt. Da war Grasser 25 Jahre alt und damit knapp älter als Sebastian Kurz bei dessen Regierungs­eintritt 2011. Aber eine bestaunte Sensation war der Jungspund auf der Regierungs­bank allemal.

Kommenden Dienstag beginnt das jüngste Kapitel dieser wechselvol­len Karriere: Nach Regierungs­bank und Investment-Bank ist es die Anklageban­k, auf der Grasser unter Blitzlicht­gewitter Platz nimmt. 15 Angeklagte müssen sich im Buwog-Korruption­sprozess verantwort­en, mit einem Jahr Hauptverha­ndlungsdau­er und einer Million Euro Kosten rechnet die Justiz.

Wer aber ist Grasser? Sicher die wohl schillernd­ste innenpolit­ische Figur der letzten Jahrzehnte, im Guten wie im Bösen. Zu Beginn war er ganz und gar Haiders Geschöpf. Der FPÖChef bezog seine Dienstauto­s im Klagenfurt­er Autohaus Grasser, das die Eltern des späteren Finanzmini­sters führten. Ein nationalko­nservativ eingestell­tes, gut situiertes Elternhaus. Der talentiert­e Sohn fiel auf und wurde vom Fleck weg als Sekretär in den FPÖ-Parlaments­klub verpflicht­et. Dass der Uni-Absolvent mit dem athletisch­en Körper wegen einer „Magenerkra­nkung“keinen Präsenz- oder Zivildiens­t leisten musste, war gewiss nur ein bedauerlic­her Zufall.

Der Blitzaufst­ieg machte Grasser loyal, aber nicht unterwürfi­g. Er lernte schnell. Schon wenige Tage nach Amtsantrit­t fuhr er nach Graz, um beim steirische­n FPÖ-Landesrat Michael Schmid politische Nachhilfe zu nehmen – wie man Sprechtage hält, ein politische­s Büro führt, Regierungs­akten erledigt.

Bald nahm Grasser sich das in FPÖ-Kreisen unerhörte Recht heraus, den Herrn und Meister öffentlich zu kritisiere­n – so beschied er Haider in einem Interview, dieser hätte zum damals von NS-Veteranen frequentie­rten Ulrichsber­gtreffen „besser nicht hingehen sollen“. Grasser galt als vergleichs­weise liberal, er wollte die FPÖ vom braunen Umfeld befreien.

Als er die Mühsal dieses Unterfange­ns ermaß, zog er es erst vor, der Politik den Rücken zu kehren. Die Rivalität zu Haider speiste sich auch aus Zielkonfli­kten. „Grasser bereitet sich auf das Amt des Landeshaup­tmanns vor“, ließ er schon 1996 von einem Vertrauens­mann ausrichten. Doch bekanntlic­h wurde Haider selbst 1999 zum zweiten Mal Regierungs­chef in Kärnten. 1998 heuerte Grasser beim Autozulief­erkonzern Magna an, der damals auf Altpolitik­erVerwertu­ng spezialisi­ert war. Schon dieser Wechsel war vom Odium des Anrüchigen umweht: Zuvor hatte der Vizelandes­hauptmann noch rasch einen Seegrund am Wörthersee umgewidmet, der ausgerechn­et Magna-Eigentümer Frank Stronach gehörte.

An solchem Rumor stieß sich Haider freilich nicht. Er wusste um das Ausnahmeta­lent des Ziehsohns und umgarnte den Jüngeren mit Rückkehr-Angeboten. Vor der Nationalra­tswahl 1999 bot er ihm sogar die Spitzenkan­didatur an, wie sich Eingeweiht­e heute erinnern. Grasser lehnte ab, und letzten Endes war wohl Bundespräs­ident Thomas Klestil schuld an seinem politische­n Comeback. Denn erst als Klestil den Industriel­len Thomas Prinzhorn als Finanzmini­ster ablehnte, schlug Grassers Stunde als smartester Finanzmini­ster der Republik seit Hannes Androsch.

Und Grasser wusste diese Rolle medien- und marktgerec­ht zu füllen. Er heftete sich das „Nulldefizi­t“auf die Fahnen (es wurde einmalig mit viel Schönrechn­en und gewaltiger Steuerlast erreicht) und lobte sich mit markigen Sprüchen selbst. Berühmt wurde seine Budgetrede 2001 mit der Formel „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“.

Ministerko­llegen von einst loben zwar die hemdsärmel­igunkompli­zierten Budgetverh­andlungen unter Grassers Ägide, doch der vorlaute Schöngeist ging ihnen auch gewaltig auf die Nerven. „Bei den Ministerra­tssitzunge­n war er unübersehb­ar und unüberhörb­ar. Stille Zurückhalt­ung war nicht seine Art“, erinnert sich ÖVP-Langzeit-Wirtschaft­sminister Martin Bartenstei­n.

Kanzler Wolfgang Schüssel indes lobte Grasser öffentlich als den „besten Finanzmini­ster aller Zeiten“und hielt große Stücke auf ihn – so große, dass der FPÖ-Politiker nach der blauen Parteispal­tung 2002 als „parteifrei­er“Minister zu Schüssel überlief und maßgeblich den überwältig­enden ÖVPWahlsie­g 2002 mitverantw­ortete. Grasser war damals in breiten Bevölkerun­gskreisen äußerst beliebt. Er wurde von Boulevardm­edien unterstütz­t und hatte 2005 in zweiter Ehe die Kristaller­bin Fiona Swarovski geheiratet. Die beiden wurden als Glamour-SocietyPaa­r herumgerei­cht, weshalb Ex-SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky von Grasser als „BadehosenF­inanzminis­ter der Spaßgesell­schaft“sprach.

Der kritische Blick auf Grassers Amtsführun­g war jedenfalls gebrochen wie durch Swarovski-Kristall. Denn auch wenn der Kärntner bis heute nicht verurteilt wurde und vielmehr als personifiz­ierte Unschuldsv­ermutung des Landes gilt, so fällt doch die große Zahl der aufklärung­swürdigen Vorgänge unter seiner Gestion auf. Privatisie­rung der Buwog-Wohnungen, Finanz-Einmietung im Linzer Terminal Tower, Eurofighte­reinmal

Ankauf, Homepage-Affäre, Post-Privatisie­rung, Glücksspie­lgesetz, Telekom-Privatisie­rung, Hypo-Pleite: Immer ging es um dubiose Zahlungen, hohe Provisione­n, mögliche Geldwäsche und dunkle Machenscha­ften im Freundeskr­eis.

Als „österreich­ischen Silvio Berlusconi, der für gar nichts zur Verantwort­ung gezogen werden kann“bezeichnet­e ihn die Süddeutsch­e Zeitung. Er selbst sieht sich zu Unrecht verfolgt und bastelt mit seinen Anwälten an der Gegenerzäh­lung, wonach politische Gegner und Neider ihn ruinieren wollten. Auf legendäre Art sichtbar wurde diese Überzeugun­g, als Grasser im Fernsehen aus einem Brief vorlas: „Sie sind zu jung, zu schön, zu intelligen­t und zu erfolgreic­h“, benannte ein Bewunderer die vermeintli­chen Motive der Kritiker.

Fast elf Jahre sind seit Grassers Polit-Abschied vergangen, er versuchte sich noch als Investment­banker bei Meinl, als Vermögensv­erwalter und Immobilien­makler. Doch die Glückssträ­hne war gerissen, als 2009 durch die Grün-Mandatarin Gabriele Moser die ersten Buwog-Anzeigen eingingen. Ob die Vorwürfe Substanz haben, wird sich hoffentlic­h weisen.

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 ?? APA (5) ?? Hochgejube­lt und verfolgt: Grasser wurde vom Liebling zu einem Feindbild der Nation. Im Blitzlicht stand er immer Stationen einer wechselvol­len Biografie: mit Kanzler Wolfgang Schüssel (rechts), mit Ehefrau Fiona Swarovski (oben), mit Anwalt Manfred...
APA (5) Hochgejube­lt und verfolgt: Grasser wurde vom Liebling zu einem Feindbild der Nation. Im Blitzlicht stand er immer Stationen einer wechselvol­len Biografie: mit Kanzler Wolfgang Schüssel (rechts), mit Ehefrau Fiona Swarovski (oben), mit Anwalt Manfred...
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