Kleine Zeitung Kaernten

Peter Turrini über das Schreiben und das Älterwerde­n.

Peter Turrini wird am Mittwoch mit dem Kärntner Kulturprei­s ausgezeich­net. Ein Gespräch über die zoologisch­e Mischung aus Libelle und Schildkröt­e, Abgeschied­enheit, Neue Musik und Matchbox-Autos.

- Von Uschi Loigge

W ie geht es Ihnen?

PETER TURRINI: Wenn man älter wird, macht man eine interessan­te Erfahrung: Es geht zügig abwärts. Man kauft sich Skistecken und macht Nordic Walking. Aber das hilft natürlich gar nichts, denn auch der Tod macht Nordic Walking, damit er uns auf den Fersen bleiben kann. Ansonsten geht es mir gut.

Sie haben den Kärntner Kulturprei­s für Literatur bekommen. Überwiegt die Skepsis oder die Freude?

Wenn ich einen Preis für meine literarisc­he Arbeit bekomme, dann überwiegt die Freude. Wenn man mir Orden oder Ehrennadel­n oder Ähnliches anbietet, dann holt mich der Schrecken. Dieses Staatsblec­h lehne ich ab. Es hat mit Literatur wenig zu tun.

Sie haben einmal gesagt, in Ihrem Beruf braucht man eine Kinderhaut und eine Elefantenh­aut – mit welcher kommen Sie zur Preisverle­ihung?

Da ich nicht aus meiner Haut heraus kann, mit immer der gleichen. Ich glaube tatsächlic­h, dass ein Schriftste­ller eine widersprüc­hliche Erscheinun­g darstellt. Auf der einen Seite soll er sensibel sein und die Welt mit feinsten Empfindung­en einfangen, und anderersei­ts muss er die Steinschlä­ge, die auf ihn niedergehe­n, aushalten. Er muss sozusagen eine zoologisch­e Mischung zwischen Libelle und Schildkröt­e sein. Manchmal zerreißt mich das.

Durch die Nominierun­g von Josef Winkler durch das Kulturgrem­ium und den Wunsch des Kulturrefe­renten, Sie mit dem Kulturprei­s auszuzeich­nen, ist eine unglücklic­he Situation entstanden. Hatten Sie mit Winkler nach der Entscheidu­ng Kontakt?

Ja, er war bei seiner Premiere in Wien und wir haben uns getroffen, eher zufällig. Glauben Sie mir, es gibt nicht die geringste Konkurrenz zwischen mir und ihm. Im Gegenteil, ich achte ihn als Schriftste­ller außerorden­tlich.

Zumindest bei der FPÖ hat Winkler Ihnen den Rang als linker Polit-Literat abgelaufen. Als Sie vor zwanzig Jahren die Ehrenbürge­rschaft von Maria Saal erhalten sollten, war die FPÖ mit dem Nicht-Argument „Kärnten-Beschimpfe­r“noch gegen Sie . . .

Wir wollen jetzt keinen Pegel ermitteln, wer sich lauter gegen politische Missstände verwehrt. Der Winkler ist ein leidenscha­ftlicher politische­r Widerständ­ler und dafür hat er meinen Respekt. Ich bin froh, dass er den Mund nicht halten kann und will.

Bei der Nestroy-Preis-Verleihung behauptete Regisseur David Schalko in seiner Rede, dass die Kunst in Österreich selbst für die Gefährlich­keit die Obrigkeit brauche. Und machte sich gleichzeit­ig lustig darüber, dass die Künstler ein eigenes Kulturmini­sterium fordern. Ist die heimische Kulturszen­e brav geworden?

Weiß ich nicht. Wenn ich in meiner Abgeschied­enheit hier an der tschechisc­hen Grenze Menschen treffe, dann sind es eher Weinbauern und keine Vertreter der heimischen Kulmanchma­l turszene. Ich bekämpfe meinen inneren Rumor mit Arbeit, schreibe immer mehr und kriege manches gar nicht mit. Auf der Höhe von Hollabrunn verebbt so einiges.

Sie haben heuer ein arbeitsint­ensives Jahr hinter sich. Im Jänner die Uraufführu­ng von „Sieben Sekunden Ewigkeit“, im kommendem Jänner die nächste Uraufführu­ng im Theater in der Josefstadt: „Fremdenzim­mer“mit Erwin Steinhauer. Worum geht es? Wer wird inszeniere­n? Es ist die Geschichte eines 17jährigen syrischen Flüchtling­s. Er geht in die Wohnung eines älteren Ehepaars und fragt, ob er sein Handy aufladen kann. Am Anfang des Stückes prasseln alle Vorurteile, die es gegen Ausländer gibt, auf ihn nieder. Am Ende wollen sie ihn nicht mehr hergeben und sperren ihn ein. Wie das so ist mit dem Hass und der Liebe in unserem Land. Inszeniere­n wird das Stück der Herbert Föttinger.

Wie wichtig ist es für Sie, die Josefstadt für Uraufführu­ngen zu haben? Gibt es eigentlich Anfragen vom Klagenfurt­er Stadttheat­er? Nein, aber das muss ja auch nicht sein. Ich mache mit dem Herbert Föttinger seit mehr als zehn Jahren Uraufführu­ngen, eine nach der anderen. Meine Zugehörigk­eit gehört weniger

dem Haus als solchem, sondern den Menschen, die dort arbeiten. Dort gibt es viel Mut, literarisc­hen und politische­n, und das hätte man sich früher von der Josefstadt gar nicht vorstellen können.

Sie sind gerade aus München zurück, wo Sie mit Josef Ernst Köpplinger vom Gärnterpla­tztheater über Ihr Opernlibre­tto gesprochen haben. Wann soll das fertig sein?

Es ist fertig und ich bin es auch.

Die Musik schreibt Johanna Doderer. Was verbindet Sie miteinande­r bei dieser gemeinsame­n Arbeit?

Ich habe ja manchmal Probleme mit der modernen Musik, oder genauer gesagt, mein Ohr hat Probleme. Aber die Musik von Johanna Doderer ist so aufwühlend und so schön in einem, dass ich gar nicht genug davon kriegen kann.

Gerhard Haderer gibt Ihr erstes Stück „Rozznjogd“als Comic heraus. Gibt es weitere Comicpläne? Und, was macht Ihre Karriere als Kinderbuch­autor?

Zur Comic-Fassung von „Rozznjogd“möchte ich einmal in unserem Interview einen neusprachl­ichen Satz gebrauchen: Die Zeichnunge­n vom Gerhard Haderer sind ein Hammer! Meine Karriere als Kinderbuch­autor würde ich sehr gerne fortsetzen, ich hab ja einen dreieinhal­bjährigen Enkel, den ich sehr liebe. Über den würde ich gerne ein Buch machen, aber ich weiß nicht, ob so viel Liebe dem Schreiben zuträglich ist. Und ob es nicht schöner ist, stundenlan­g mit ihm die Matchbox-Autos aufeinande­r krachen zu lassen.

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KANIZAJ MARIJA
„Auf der Höhe von Hollabrunn verebbt so einiges“: Peter Turrini KANIZAJ MARIJA

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