Geschichte einer weißen Pracht
Der Acker leuchtet weiß und kalt./Der Himmel ist einsam und ungeheuer./Dohlen kreisen über dem Weiher/Und Jäger steigen nieder vom Wald.“So beginnt ein Gedicht von Georg Trakl, dem das berühmteste aller Wintergemälde als Vorbild gedient haben könnte: Pieter Bruegels „Jäger im Schnee“. Das Werk aus dem Jahr 1565, ein Kleinod des Kunsthistorischen Museums in Wien, entstand zu einer Zeit, als in Europa gerade die „Kleine Eiszeit“herrschte. Damals lagen die Temperaturen drei Grad unter den heutigen, die Winter waren schneereicher und die Gewässer, ja selbst das Meer, froren für Monate zu. Die weltweite Abkühlung – offenbar Resultat einer verringerten Sonneneinstrahlung und eines verstärkten Vulkanismus – führte zu Missernten, die wiederum Hungersnöte und Aufstände zur Folge hatten.
Doch Künstler wie Pieter Bruegel der Ältere nutzten den Klimawandel auch als Chance für neue Ausdrucksmöglichkeiten. Sein Ölgemälde (siehe Ausschnitt) erzählt vom frostigen Alltag ohne Strom und Zentralheizung, aber auch von Menschen, die Eisstock schießen und Schlittschuh laufen – bis heute Nationalsport der Niederländer. Diesem fröhlichen Treiben stehen müde Jäger und Hunde gegenüber, die mit einem einzigen Fuchs als Beute (oder ist es doch ein Hase?) heimwärts kehren. Schwerfällig stapfen sie an einem Wirtshaus vorbei, vor dem ein Feuer für das Sengen eines geschlachteten Schweines prasselt. Zu ihren Füßen liegt eine in grünlich-fahles Licht getauchte Weltlandschaft mit Dörfern, Fantasiebergen und zugefrorener Meeresbucht. Ein Schornsteinbrand und das schief hängende Wirtshausschild mit Eustachius, dem Patron der Jäger, weisen auf das Jagdpech und die Unwägbarkeiten des Lebens hin.
Bald nach Vollendung seines Meisterwerks, dem Lars von Trier („Melancholia“) und Andrej Tarkowskij („Solaris“) filmische Denkmäler setzten, starb Pieter Bruegel mit zirka 40 Jahren. Kurz zuvor hatte in seiner protestantischen Heimat der Unabhängigkeitskrieg gegen die Habsburger begonnen, über die einige Bilder des Malers nach Wien gelangten.
Bruegels Wintergemälde könnte heute so manchen in der Ansicht bestärken, dass die aktuelle Erderwärmung ohnehin von selbst ein Ende findet. Doch man sollte sich von der Natur nicht zu viel erwarten. Als vor rund 70.000 Jahren auf Sumatra der Vulkan Toba ausbrach, kam es zu einer Abkühlung von bis zu sieben Grad, die der jungen Menschheit beinahe den Garaus gemacht hätte. Wie Erbgutanalysen zeigen, überlebten damals nicht einmal 1000 unserer Vorfahren. Im Zeitalter des Perms wiederum kam es zu einem Artensterben, weil Vulkane das Gegenteil bewirkten und den Treibhauseffekt befeuerten.
Daher: Genießen wir die weiße Pracht, denn sie könnte eines Tages nur noch im Museum zu bewundern sein.