Im Dunstkreis der Unvernunft
ÖVP und FPÖ kippen das Rauchverbot in Lokalen. Die Empörung ist groß, Österreich bleibt damit der Schandfleck Europas beim Nichtraucherschutz.
Was Mediziner und Suchtexperten seit Beginn der Koalitionsverhandlungen befürchtet hatten, scheint Realität zu werden: Wie gestern bekannt wurde, haben sich die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ darauf geeinigt, dass das absolute Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018 nicht kommen soll. Gäste können damit weiterhin in abgetrennten Räumen Zigaretten konsumieren. Damit wird eine zentrale FPÖ-Forderung durchgesetzt, die ÖVP kippt ein Gesetz, das sie selbst mitbeschlossen hat.
Nach Bekanntgabe der Entscheidung traf die Koalitionsverhandler eine Welle der Empörung – einige Auszüge: „Das ist schlecht für die Gesundheit der Österreicher“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Wir Ärzte müssen unsere Patienten und die Nichtraucher schützen.“Der Wiener Lungenkrebsspezialist Robert Pirker zeigte sich „fassungslos“ob der Entscheidung: „Das ist gegen jeden wissenschaftlichen Beweis.“Jeder zweite Raucher sterbe frühzeitig, als Spezialist für Lungenkrebs sehe er täglich Tragödien, wenn der Tabakrauch Familien zerstört.
Von einem „enormen gesundheitspolitischen Rückschritt“sprach die scheidende Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Kärntens Gesundheitsreferentin Landeshauptmannstellvertreterin Beate Prettner zeigte sich entsetzt: „Die Gesundheit unserer Jugend ist kein Tauschgeschäft.“
„Schockiert“war Florian Stigler, der als Public-Health-Experte vehement für das Rauch- verbot eintrat. „Für mich ist das ein absoluter Umfaller.“Mit „riesiger Enttäuschung und völligem Unverständnis“reagierte Hellmut Samonigg, der nicht nur Krebsspezialist und Rektor der Med Uni Graz, sondern auch Mitinitiator der Initiative „Don’t Smoke“ist. Eine Initiative, die übrigens auch von Sebastian Kurz unterstützt wurde, wie ein Blick auf dontsmoke.at beweist. Das Beschämendste für Samonigg sei das Hauptargument für das Kippen des Verbots: Man wolle Wirte schützen. „Hier werden wirtschaftliche Interessen mit Menschenleben aufgewogen.“
Was bisher an Informationen zur neuen Raucherreglung durchgesickert ist, zeigt: Das meiste bleibt beim Alten. In abgetrennten Raucherzimmern darf weiterhin geraucht werden. Hat die Gaststätte keinen abgetrennten Nebenraum und ist der Gastraum kleiner als 75 Quadratmeter, ist Rauchen ebenfalls erlaubt (siehe rechts). Vorsorgemediziner Florian Stigler sieht darin sogar einen noch weiteren Rückschritt von der derzeitigen Regelung.
Außerdem soll das Alterslimit fürs Rauchen auf 18 Jahre angehoben werden – ein Beschluss, auf den sich die Landesjugendreferenten jedoch bereits im April geeinigt hatten.