Mit drei Prozent wächst Österreichs Wirtschaft so schnell wie seit zehn Jahren nicht – aber nicht alle haben etwas davon.
Das anhaltende Konjunkturhoch erhellt den Horizont für viele Arbeitslose nur langsam.
Wenn die Wirtschaftsforscher derzeit noch für klitzekleine Überraschungen vor Weihnachten sorgen können, dann zum Glück mit überwiegend glänzenden Nachrichten. Die Hochkonjunktur mit einem Wachstum von etwa drei Prozent heuer soll Österreich bis weit ins Jahr 2018 erhalten bleiben. Für 2019 wird immerhin noch ein kräftiges Plus von rund zwei Prozent erwartet. Im Detail weichen die Einschätzungen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo und des Instituts für Höhere Studien IHS leicht voneinander ab. Das Gesamtbild ist aber in beiden Prognosen so gut wie seit 2008, also vor der Finanzkrise, nicht mehr.
„Die neue Regierung bekommt eine ordentliche Konjunkturdividende mit auf den Weg“, sagt IHS-Chef Martin Kocher. Über die erst vor einer Woche präsentierten Regierungsvorhaben äußert sich Kocher derzeit weit weniger ausführlich als WifoChef Christoph Badelt – auch wenn beide der Meinung sind, dass die Pläne der türkis-blauen Regierung noch zu unkonkret sind, um sie ernsthaft beurteilen zu können. Mehr Klarheit erwarten sich die Experten durch die Vorlage des geplanten Doppelbudgets 2018/19.
weit traut sich Badelt aber bereits vor: Er mahnt eine größere Steuerreform ein als das, was die Regierung bisher in Aussicht stellt. „Man sollte den Aufschwung für Grundsatzreformen nutzen“, so Badelt. Ins- besondere müsse die neue Regierung der Versuchung widerstehen, Geld aus erwarteten Ausgabenkürzungen für andere Ausgaben einzuplanen.
Ziemlich teuer dürfte etwa der angekündigte FamilienboSo
nus werden. Zahlen nannten dazu weder Badelt noch Kocher. Unter Experten ist von etwa 1,5 Milliarden Euro die Rede, die die sicher publikumswirksame Maßnahme kosten könnte.
Besonders tief legt Badelt die Finger in Österreichs „Wunde“, den Arbeitsmarkt. Der Sockel von schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen sei mit 36 bis 38 Prozent aller Arbeitslosen inzwischen enorm hoch. Bei den über 50Jährigen gebe es bekanntlich ebenfalls massive Probleme. Insofern verdiene die von der Vorgängerregierung gestartete Aktion 20.000 für Ältere eine Chance, während der Beschäftigungsbonus unter Wahrung der Rechtssicherheit fallen sollte.
Kritisch sehen Wifo und IHS die angekündigten Änderungen beim Arbeitslosengeld und dem Wegfall der Notstandshilfe. Verschiebungen in die Mindestsicherung seien die Folge. Viele Menschen würden sich dann auch gar nicht mehr arbeitslos melden. „Ein statistischer Effekt, der ökonomisch nichts bringt“, so Badelt. „Da steht für mich vieles im Widerspruch zur Aussage im Kapitel Pensionen, dass man die Altersarmut bekämpfen will.“