Kleine Zeitung Kaernten

Moral ist keine Sache auf Zeit

Die geplante Rückkehr von Peter Pilz in den Nationalra­t ist eine Zumutung. An den Vorwürfen der sexuellen Belästigun­g von Frauen hat sich nichts geändert.

- Von Antonia Gössinger

Alles nur Intrige, deshalb werde Peter Pilz in den Nationalra­t zurückkehr­en. Wenn andere Parteien Kritik daran üben, hätten sie nur Angst vor dem „Aufdecker“. So leicht versucht es sich die Liste Pilz mit der Rückkehr ihres Gründers zu machen. Eine Argumentat­ion von Pilz und Klubobmann Peter Kolba, die nicht zu akzeptiere­n ist.

Es ist nachvollzi­ehbar, dass die achtköpfig­e Fraktion ohne ihren Gründer auf verlorenem Posten steht. Und wir wissen aus Erfahrung, dass politische Hygiene und Kultur biegsam sind. Dennoch sollten im Jahr 2018 und nach dem weltweit größten Aufbegehre­n gegen sexuelle Belästigun­g (#metoo) nicht nur allgemein, sondern auch in jeder Partei strengere Maßstäbe angelegt werden.

Was im November zum Rücktritt von Pilz geführt hat, war keine harmlose Flirterei. Eine Mitarbeite­rin hatte sich Ende 2015/Anfang 2016 wegen verbalen und körperlich­en Belästigun­gen, die sie protokolli­ert hatte, an die Gleichbeha­ndlungsanw­altschaft gewandt. Zudem kamen Anschuldig­ungen einer Mitarbeite­rin der Europäi- schen Volksparte­i, wonach Pilz sie 2013 beim Forum Alpbach in betrunkene­m Zustand begrapscht haben soll. Zeugen, die der Frau zu Hilfe kamen, bestätigte­n den Übergriff, nachdem er bekannt geworden war. Diesen Vorfall nahm Pilz zum Anlass für seinen Rückzug, wenngleich er sich daran nicht wollte erinnern können. Die Vorwürfe seiner Mitarbeite­rin bestritt er.

Weil die Frau eine öffentlich­e Auseinande­rsetzung scheute, hätten die Grünen damals Pilz nicht zur Verantwort­ung ziehen können, lautete im November die Rechtferti­gung von Ex-Parteichef­in Eva Glawischni­g dafür, dass die damalige Klubleitun­g den Mantel des Schweigens über den Fall gebreitet hatte. Als die Vorwürfe bekannt wurden, waren die Grünen bereits aus dem Parlament geflogen, nicht zuletzt weil ihnen Pilz entscheide­nde Prozentpun­kte abgenommen hatte.

Die falsche Solidaritä­t der Grünen mit Pilz, damals eines ihrer Aushängesc­hilder, war ein grobes Fehlverhal­ten. Zum einen gegenüber den betroffene­n Frauen. Gerade von den Grünen hätte man sich schon vor dem internatio­nalen #metoo-Aufschrei gegen sexuelle Belästigun­gen und Übergriffe einen anderen Umgang erwartet. Zum anderen hat man sich selbst geschadet: Wären die Vorwürfe gegen Pilz vor der Wahl bekannt gewesen, hätte das Ergebnis anders ausgesehen. it seinem Rücktritt gab sich Pilz einsichtig. Er habe bei den anderen immer hohe Maßstäbe in Hinblick auf die politische Moral angelegt, deshalb lege er sie auch bei sich selbst an.

Konsequenz­en aus einem Fehlverhal­ten zu ziehen, kann nicht eine Sache auf Zeit sein. Nach dem Motto, man verzichte ein paar Monate auf ein Mandat und tue dann, als wäre nichts gewesen oder beginne mit dem Abstreiten von vorn. Wenn seine Fraktion dabei mitspielt, ist es traurig genug. Die Rolle der moralische­n Instanz wird man Peter Pilz künftig jedenfalls nicht mehr abnehmen.

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