Moral ist keine Sache auf Zeit
Die geplante Rückkehr von Peter Pilz in den Nationalrat ist eine Zumutung. An den Vorwürfen der sexuellen Belästigung von Frauen hat sich nichts geändert.
Alles nur Intrige, deshalb werde Peter Pilz in den Nationalrat zurückkehren. Wenn andere Parteien Kritik daran üben, hätten sie nur Angst vor dem „Aufdecker“. So leicht versucht es sich die Liste Pilz mit der Rückkehr ihres Gründers zu machen. Eine Argumentation von Pilz und Klubobmann Peter Kolba, die nicht zu akzeptieren ist.
Es ist nachvollziehbar, dass die achtköpfige Fraktion ohne ihren Gründer auf verlorenem Posten steht. Und wir wissen aus Erfahrung, dass politische Hygiene und Kultur biegsam sind. Dennoch sollten im Jahr 2018 und nach dem weltweit größten Aufbegehren gegen sexuelle Belästigung (#metoo) nicht nur allgemein, sondern auch in jeder Partei strengere Maßstäbe angelegt werden.
Was im November zum Rücktritt von Pilz geführt hat, war keine harmlose Flirterei. Eine Mitarbeiterin hatte sich Ende 2015/Anfang 2016 wegen verbalen und körperlichen Belästigungen, die sie protokolliert hatte, an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt. Zudem kamen Anschuldigungen einer Mitarbeiterin der Europäi- schen Volkspartei, wonach Pilz sie 2013 beim Forum Alpbach in betrunkenem Zustand begrapscht haben soll. Zeugen, die der Frau zu Hilfe kamen, bestätigten den Übergriff, nachdem er bekannt geworden war. Diesen Vorfall nahm Pilz zum Anlass für seinen Rückzug, wenngleich er sich daran nicht wollte erinnern können. Die Vorwürfe seiner Mitarbeiterin bestritt er.
Weil die Frau eine öffentliche Auseinandersetzung scheute, hätten die Grünen damals Pilz nicht zur Verantwortung ziehen können, lautete im November die Rechtfertigung von Ex-Parteichefin Eva Glawischnig dafür, dass die damalige Klubleitung den Mantel des Schweigens über den Fall gebreitet hatte. Als die Vorwürfe bekannt wurden, waren die Grünen bereits aus dem Parlament geflogen, nicht zuletzt weil ihnen Pilz entscheidende Prozentpunkte abgenommen hatte.
Die falsche Solidarität der Grünen mit Pilz, damals eines ihrer Aushängeschilder, war ein grobes Fehlverhalten. Zum einen gegenüber den betroffenen Frauen. Gerade von den Grünen hätte man sich schon vor dem internationalen #metoo-Aufschrei gegen sexuelle Belästigungen und Übergriffe einen anderen Umgang erwartet. Zum anderen hat man sich selbst geschadet: Wären die Vorwürfe gegen Pilz vor der Wahl bekannt gewesen, hätte das Ergebnis anders ausgesehen. it seinem Rücktritt gab sich Pilz einsichtig. Er habe bei den anderen immer hohe Maßstäbe in Hinblick auf die politische Moral angelegt, deshalb lege er sie auch bei sich selbst an.
Konsequenzen aus einem Fehlverhalten zu ziehen, kann nicht eine Sache auf Zeit sein. Nach dem Motto, man verzichte ein paar Monate auf ein Mandat und tue dann, als wäre nichts gewesen oder beginne mit dem Abstreiten von vorn. Wenn seine Fraktion dabei mitspielt, ist es traurig genug. Die Rolle der moralischen Instanz wird man Peter Pilz künftig jedenfalls nicht mehr abnehmen.
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