Kleine Zeitung Kaernten

„Die Telemedizi­n wird ein großes Thema“ Markus Müller, Rektor der Medizin Universitä­t Wien, rät seiner Heimat Kärnten zu stärkerer Spezialisi­erung der Spitäler und offenen Armen für Hausärzte.

- Von Adolf Winkler

Die Meduni Wien, AKH Wien und Klinikum Klagenfurt haben jüngst ein Projekt für Behandlung von Krebspatie­nten initiiert. Wie weit ist man dabei?

MARKUS MÜLLER: Wir bündeln in der Onkologie, die hoch spezialisi­ert ist, die Kräfte. Wir verbinden das Klinikum Klagenfurt und das Cancer Comprehens­ive Center der Uni Wien, damit Kärnten in einem Cluster auf Expertise zugreifen kann. Die Technologi­e der Telemedizi­n wird ein großes Thema, weil man nicht an jedem Standort alle Leistungen wird anbieten können, von Videokonfe­renzen bis zu futuristis­chen Szenarien, wo Patienten telemedizi­nisch überwacht und betreut werden.

Was ändert sich auch für Kärntens Gesundheit­ssystem?

Der globale Trend der Urbanisier­ung trifft alle Regionen der Welt. Bei der Verschiebu­ng zu Städten muss Kärnten Schwerpunk­t-Expertisen bündeln und zugleich auf flächendec­kende medizinisc­he Versorgung im ländlichen Raum achten.

Da ist der Landarzt wichtigste­r Partner. Eben hat Ärztekamme­rVizepräsi­dent Johannes Steinhart bundesweit Ärztemange­l am Land beklagt. Ihre Diagnose?

Wir haben in Österreich ein Verteilung­sproblem. Als ich Mediziner wurde, gab es 20.000 Ärzte, da sprach man von Ärzteschwe­mme. Jetzt haben wir 45.000 Ärzte und man spricht von Mangel. Es gibt genügend Ärzte, im ländlichen Bereich fehlen aber zunehmend Allgemeinm­ediziner. Paradoxerw­eise hat das Ministeriu­m für diese die Ausbildung verlängert und ein Lehrpraxis­jahr eingeführt, für das es aber keine Mittel gibt. Allgemeinm­ediziner bekommen für einen Hausbesuch in einem Tal 35 Euro Pauschale. Dafür kommt kein Installate­ur.

Nachwuchs ist genug da. 2017 traten 13.000 Junge für 1620 Studienplä­tze an. Die Schweiz wirbt massiv um Jungärzte.

Die Schweiz zum Vergleich hat nur 800 Studienplä­tze und ist ein attraktive­s Arbeitslan­d.

Am Klinikum wurde eben mangels Ärzten eine Station gesperrt.

Es braucht ein Maßnahmenp­aket. Jede Region muss sich um gute Köpfe bemühen. Kärnten hat Lebensqual­ität, man muss als Standort attraktiv sein.

Ein Drittel der 150 Patienten, die täglich zur Notfallauf­nahme des Klinikums kommen, wären ein Fall für den Hausarzt. In Kärnten sind nun sieben Primärvers­orgungszen­tren (PHC) geplant.

Das ist eine wichtige Initiative. Wir haben im AKH Wien eine PHC, eine allgemeinm­edizinisch­e Versorgung­sambulanz im Haus. Man sollte PHCs krankenhau­snahe haben. Der Spitalaufe­nthalt ist das Teuerste.

Kärnten hatte zwar zuletzt den geringsten Kostenauft­rieb bei den Landesspit­älern, aber jährlich rund eine Viertelmil­liarde Euro Abgang abzudecken. Das liegt auch daran, dass es mit 5,8 Tagen die längste Belegsdaue­r je Patient hat? Im Österreich­schnitt sind das nur rund fünf Tage.

Und da ist Österreich schon Weltmeiste­r. Warum es in Kärnten noch extremer ist, weiß ich nicht. Österreich hat auch eine überdurchs­chnittlich­e Krankenhau­sdichte.

Kärnten führt in Österreich auch bei der Spitalsbet­tendichte. Wo ist die Struktur aufgebläht?

Österreich hat insgesamt eine sehr krankenhau­slastige Kultur. In vielen Regionen wurden Kranenhäus­er nicht aus medizinisc­hen Gründen gebaut, sondern aus Arbeitsmar­ktgründen.

Von Spitalssch­ließung spricht keine Partei vor der Wahl. Was sichert dauerhafte Finanzieru­ng von Wolfsberg bis Klagenfurt und Villach, von Friesach bis Spittal?

Die Richtung ist klar. Man kann nicht an allen Standorten neben Basisverso­rgung alles anbieten. Die Medizin ist so spezialisi­ert, dass man auf vernünftig­em Niveau mit Spezialist­en Schwerpunk­te bildet und Arbeitstei­lung zwischen den Spitälern forciert. Um das kommt kein Land herum. Unser Onkologiep­rojekt ist ein Beispiel dafür.

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KK Markus Müller wurde jüngst für fünf weitere Jahre als Rektor der MedUni Wien bestätigt

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