Warum immer mehr kluge Köpfe das Land verlassen.
Hirnschwund plagt das Land. Jedes Jahr ziehen Junge mit guter Ausbildung weg. Zwei Kärntnerinnen erzählen, was sie hier hält, und eine, warum sie weggegangen ist.
Als sie aus dem Zug stieg, sagte Teresa Sihler den Satz, von dem sie nie gedacht hätte, dass sie ihn sagen würde: „Daheim ist es so schön!“Die 20Jährige lacht und erzählt: „Das haben mir so viele gesagt, die aus Kärnten weggegangen sind. Ich dachte, mich trifft das nicht so, aber als ich das erste Mal wieder heimgekommen bin, hab’ ich das Gleiche gefühlt.“
Sihler kommt aus Steindorf am Ossiacher See und lebt jetzt seit eineinhalb Jahren in Wien. Dort studiert sie Jus: „Für mich war nach der Matura klar, dass ich nach Wien gehe. Das Studienangebot, die Großstadt, unabhängig zu werden.“Sihler ist nicht allein: 13.029 Kärntner 18 und 24 Jahren haben im Zeitraum von 2012 bis 2016 das Land verlassen. „Manche gehen weg, weil sie woanders studieren möchten, andere, weil sie hier keine Arbeit finden. Zurückzukommen fällt vielen schwer“, sagt Bildungsforscher Stephan Sting von der Universität Klagenfurt, der zur Abwanderung aus Kärnten geforscht hat. Nur 4701 Kärntner (zwischen 25 und 29 Jahre alt) kehrten in den Jahren von 2012 und 2016 wieder in ihre Heimat zurück, erhob die Landesstelle für Statistik.
„Gerade am Land ist es schwierig. Wenn man Familie hat, fehlt es oft an Kinderbetreuung. Wenn man alleine ist, an einer passenden Wohnung“, sagt Universitätsprofessor Sting. Außerdem würden die Jungen oft wenig vorfinden, für das es sich lohnt, heimzukehren: „Freunde von früher sind wegzogen. Zudem fühlen sich die Jungen am Land wenig zur Kenntnis genommen. Meistens bestimmen die Älteren, wo es langgehen soll“, berichtet Sting über seine Gespräche mit Kärntner Rückkehrern.
Christina Farcher will bleiben. „Ich schreibe schon erste Bewerbungen. Aber in meinem Bereich ist es schwierig: Die Abteilungen für Kommunikation sind bei den Firmen meistens zentral in Wien, nicht in Kärnten“, sagt die 25-jährige Villacherin, die an der Universizwischen tät Klagenfurt bald ihren Master in „Media and Convergence Management“macht. Sie besucht auch das Karriereprogramm „Interactive“der Uni. Dabei sollen Studenten mit großen Unternehmen in Kontakt kommen, die Standorte in Kärnten haben: „Da erfährt man erst, was es überhaupt für spannende Firmen bei uns gibt.“
Farcher war immer klar, dass sie in ihrer Heimat bleiben wird: „Die Leute, die Landschaft, die hohe Lebensqualität. Aber es braucht eine Imagepflege. In der Schule haben uns Lehrer ausgelacht, weil wir in Klagenfurt studieren wollen, obwohl es hier eine tolle Uni gibt. Viele sehen das Positive an Kärnten nicht.“
Marie-Theres Staudacher fühlt sich in Kärnten genauso wohl und kann sich nicht vorstellen, wegzugehen. Die 19-Jährige besucht die Technische Akademie St. Andrä und macht bei Infineon in Villach eine Lehre in Elektrobetriebstechnik und Mechatronik: „Technische Sachen haben mich schon als Kind interessiert. Es passt perfekt, wie es jetzt ist. Die Firma unterstützt auch, dass ich die Lehre mit Matura mache. Ich hoffe, dass ich nach der Ausbildung eine Anstellung kriege.“Doch für ihre Lehrstelle musste auch Staudacher wegziehen. Ursprünglich kommt sie aus Kolbnitz im Mölltal. Jetzt wohnt die 19-Jährige in St. Andrä: „Am Anfang war es eine ziemliche Umstel- lung, aber inzwischen hab’ ich mich eingelebt.“Auch Teresa Sihler hat in Wien eine zweite Heimat gefunden: „Es gibt Debattierklubs, coole Partys, viele junge Leute – mir gefällt es hier sehr gut.“Die 20-Jährige kann sich aber vorstellen, nach dem Studium wieder nach Kärnten zu gehen. Es kommt aber auf viele Faktoren an: „Finde ich einen Job, eine Wohnung? Wenn ich dann schon Familie habe, gibt es eine gute Kinderbetreuung?“Sihler findet, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, damit sich Junge wieder in Kärnten ansiedeln.
Ob es Sihler wieder in ihr Heimatbundesland zieht, ist also noch offen. Doch auch in Wien muss sie auf heimische Klänge nicht verzichten. Hin und wieder ist sie bei Treffen des Vereins „Junge Kärntner in Wien“dabei: „Wenn wir dann zusammensitzen, verfallen alle schnell wieder in den Kärntner Dialekt.“Kärntner bleibt man halt auch in der Fremde.