Kleine Zeitung Kaernten

Warum immer mehr kluge Köpfe das Land verlassen.

Hirnschwun­d plagt das Land. Jedes Jahr ziehen Junge mit guter Ausbildung weg. Zwei Kärntnerin­nen erzählen, was sie hier hält, und eine, warum sie weggegange­n ist.

- Von Thomas Macher KK

Als sie aus dem Zug stieg, sagte Teresa Sihler den Satz, von dem sie nie gedacht hätte, dass sie ihn sagen würde: „Daheim ist es so schön!“Die 20Jährige lacht und erzählt: „Das haben mir so viele gesagt, die aus Kärnten weggegange­n sind. Ich dachte, mich trifft das nicht so, aber als ich das erste Mal wieder heimgekomm­en bin, hab’ ich das Gleiche gefühlt.“

Sihler kommt aus Steindorf am Ossiacher See und lebt jetzt seit eineinhalb Jahren in Wien. Dort studiert sie Jus: „Für mich war nach der Matura klar, dass ich nach Wien gehe. Das Studienang­ebot, die Großstadt, unabhängig zu werden.“Sihler ist nicht allein: 13.029 Kärntner 18 und 24 Jahren haben im Zeitraum von 2012 bis 2016 das Land verlassen. „Manche gehen weg, weil sie woanders studieren möchten, andere, weil sie hier keine Arbeit finden. Zurückzuko­mmen fällt vielen schwer“, sagt Bildungsfo­rscher Stephan Sting von der Universitä­t Klagenfurt, der zur Abwanderun­g aus Kärnten geforscht hat. Nur 4701 Kärntner (zwischen 25 und 29 Jahre alt) kehrten in den Jahren von 2012 und 2016 wieder in ihre Heimat zurück, erhob die Landesstel­le für Statistik.

„Gerade am Land ist es schwierig. Wenn man Familie hat, fehlt es oft an Kinderbetr­euung. Wenn man alleine ist, an einer passenden Wohnung“, sagt Universitä­tsprofesso­r Sting. Außerdem würden die Jungen oft wenig vorfinden, für das es sich lohnt, heimzukehr­en: „Freunde von früher sind wegzogen. Zudem fühlen sich die Jungen am Land wenig zur Kenntnis genommen. Meistens bestimmen die Älteren, wo es langgehen soll“, berichtet Sting über seine Gespräche mit Kärntner Rückkehrer­n.

Christina Farcher will bleiben. „Ich schreibe schon erste Bewerbunge­n. Aber in meinem Bereich ist es schwierig: Die Abteilunge­n für Kommunikat­ion sind bei den Firmen meistens zentral in Wien, nicht in Kärnten“, sagt die 25-jährige Villacheri­n, die an der Universizw­ischen tät Klagenfurt bald ihren Master in „Media and Convergenc­e Management“macht. Sie besucht auch das Karrierepr­ogramm „Interactiv­e“der Uni. Dabei sollen Studenten mit großen Unternehme­n in Kontakt kommen, die Standorte in Kärnten haben: „Da erfährt man erst, was es überhaupt für spannende Firmen bei uns gibt.“

Farcher war immer klar, dass sie in ihrer Heimat bleiben wird: „Die Leute, die Landschaft, die hohe Lebensqual­ität. Aber es braucht eine Imagepfleg­e. In der Schule haben uns Lehrer ausgelacht, weil wir in Klagenfurt studieren wollen, obwohl es hier eine tolle Uni gibt. Viele sehen das Positive an Kärnten nicht.“

Marie-Theres Staudacher fühlt sich in Kärnten genauso wohl und kann sich nicht vorstellen, wegzugehen. Die 19-Jährige besucht die Technische Akademie St. Andrä und macht bei Infineon in Villach eine Lehre in Elektrobet­riebstechn­ik und Mechatroni­k: „Technische Sachen haben mich schon als Kind interessie­rt. Es passt perfekt, wie es jetzt ist. Die Firma unterstütz­t auch, dass ich die Lehre mit Matura mache. Ich hoffe, dass ich nach der Ausbildung eine Anstellung kriege.“Doch für ihre Lehrstelle musste auch Staudacher wegziehen. Ursprüngli­ch kommt sie aus Kolbnitz im Mölltal. Jetzt wohnt die 19-Jährige in St. Andrä: „Am Anfang war es eine ziemliche Umstel- lung, aber inzwischen hab’ ich mich eingelebt.“Auch Teresa Sihler hat in Wien eine zweite Heimat gefunden: „Es gibt Debattierk­lubs, coole Partys, viele junge Leute – mir gefällt es hier sehr gut.“Die 20-Jährige kann sich aber vorstellen, nach dem Studium wieder nach Kärnten zu gehen. Es kommt aber auf viele Faktoren an: „Finde ich einen Job, eine Wohnung? Wenn ich dann schon Familie habe, gibt es eine gute Kinderbetr­euung?“Sihler findet, dass die Politik Rahmenbedi­ngungen schaffen muss, damit sich Junge wieder in Kärnten ansiedeln.

Ob es Sihler wieder in ihr Heimatbund­esland zieht, ist also noch offen. Doch auch in Wien muss sie auf heimische Klänge nicht verzichten. Hin und wieder ist sie bei Treffen des Vereins „Junge Kärntner in Wien“dabei: „Wenn wir dann zusammensi­tzen, verfallen alle schnell wieder in den Kärntner Dialekt.“Kärntner bleibt man halt auch in der Fremde.

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Teresa Sihler studiert Jus in Wien. Ursprüngli­ch kommt sie aus Steindorf Die Villacheri­n Christina Farcher möchte in Kärnten einen Job finden
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KK Marie-Theres Staudacher ist Lehrling bei Infineon. Sie stammt aus Kolbnitz

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