Trump, das Wachstum, der Schnee und Davos
ESSAY. Er flog, polterte, überraschte. US-Präsident Donald Trump machte es seinen zahlreichen Kritikern beim Weltwirtschaftsforum in Davos schwer. Davor war das der Schnee.
Weltwirtschaftsforum in Davos: Wie Donald Trump polterte, überraschte und es seinen Kritikern nicht leicht machte.
Schon eineinhalb Stunden vor Beginn seiner Rede drängeln sich Hunderte Teilnehmer des wichtigsten und größten Wirtschaftskongresses der Welt – von den G7-Treffen einmal abgesehen – vor dem Kongresszentrum, um einen (guten) Platz im großen Saal zu ergattern. Bei Konzerten und Fußballspielen geht es ähnlich zu, nur hat dort keiner einen Anzug an. Donald Trump hat sich als Redner angekündigt und sorgt für mehr Andrang als die anderen Regierungschefs.
Kein anderer Politiker wurde in den vergangenen Tagen so intensiv und häufig besprochen wie Trump. Kommt er? Oder nicht? Und wenn ja, mit wem und wie vielen? Mit wem wird er reden? Mit wem nicht? Eigentlich sind die Kritiker am Forum in der Überzahl – die Verteidiger des freien Welthandels und der Globalisierung. Die Weltelite, die Trump im Wahlkampf aufs Korn genommen hatte. Und durch diese Abgrenzung er auch die Wahlen gewinnen konnte. Manche Teilnehmer wollten früher abreisen, wie Angela Merkel, die das aus Termingründen machen konnte (Koalition!). Doch stattdessen war man am Forum froh, dass am letzten, personell schon ausgedünnten Freitag mit Trump ein Publikumsmagnet antrat. Auch aus dem Plan mancher, den Saal zu verlassen, wenn Trump auf der Bühne erscheine, wurde nichts. Man hatte sich schließlich so lange angestellt. Wenn Davos der Zirkus der Welt(wirtschaft) ist, dann ist Trump das dazugehörige Zirkuspferd. (Oder vielleicht eher ein Elefant? Die sind in Europas Zirkussen mittlerweile passé.)
Und Trump spielt seine Rolle gut: Von einer pompösen Musikkapelle begrüßt, weiß der US-Präsident zunächst nicht genau, wohin er auf der Bühne gehen soll. Gelächter. Hunderte halten ihr Smartphone in die Höhe. Die ersten zarten Buhrufe erklingen, als Trump – wie immer elegant höflich – vom Forumchef Klaus Schwab gelobt wird. Trump spricht dann so, als habe er schon fünf Jahre Amtszeit hinter sich, ganz unbescheiden reklamiert er Wirtschaftswachstum und den Höhenflug der Wall Street für sich. „Wir haben Menschen wieder Zugang zum amerikanischen Traum gegeben.“Die USA seien wieder wettbewerbsfähig und offen für Investitionen. In seiner einjährigen Arbeitszeit seien 2,4 Millionen Jobs geschaffen worden.
Bescheidenheit ist seine Sache nicht, aber er hält sich merklich zurück und spielte den freundlichen Onkel aus Amerika, der seine Ware preist: „Nie war die Zeit besser, um einzustellen, zu wachsen und zu investieren“, sagte Trump in seiner mit Spannung erwarteten Rede. „Jetzt ist die perfekte Zeit, Ihren Betrieb und Ihre Investitionen in die Vereinigten Staaten zu bringen“, sagte er vor den Vertretern der Wirtschaftsund Finanzelite im Publikum. sehe sich als Cheerleader für die USA, jeder Regierungschef sollte das sein. Er mache das gerne: Zumindest akustisch,
A möchte man hinzufügen. ber der in Davos gefeierte Emmanuel Macron hatte das zwei Tage zuvor genauso getan: Er warb auf Englisch in seiner langen Rede für Strukturreformen in Frankreich und wohl auch Europa samt Steuersenkungen und Flexibilisierung des Arbeitsmarkts sowie für Investitionen in Digitalisierung und Innovation. Seine Botschaft lautet stolz: „Frankreich ist wieder da.“Der Unterschied zwischen den Lagern könnte generell nicht größer sein: Auf der einen Seite Macron und Merkel mit ihren Reden gegen Abschottung durch Trumps Schutzzoll-Ankündigung, die Staatschefs und Vertreter Asiens stehen mit ähnlichen Aussagen und deutlichen Warnungen vor einem Handelskrieg hinter ihnen. Auf der anderen Seite der Präsident und seine „America First“-Thesen, die nur bei einer Regierungschefin auf leichtes Verständnis stießen: Theresa May nimmt jeden Verbündeten, den sie angesichts der schlechten Ausgangslage bei den Brexit-Verhandlungen bekommen kann.
In seiner Rede argumentiert Trump wacker und ungeniert das sensible Thema und verteidigt seine Ankündigung, Schutzzölle auf bestimmte Importe einzuführen. „Ich werde Amerika immer als Erstes setEr
zen, das sollten alle Staatsführer für ihre Länder tun. Aber es heißt nicht Amerika alleine. Wir treten immer für den freien Markt ein, aber er muss fair sein. Wenn andere Länder nicht fair wirtschaften, werden wir
I nicht wegschauen.“rgendwie hatten die Teilnehmer, die hohe Summen für das Forum zahlen, einen anderen Trump erwartet, einen der schimpft und beleidigt, doch der Davos-Trump ist anders: Er versucht sich sogar in Selbstironie. Er habe auch nie verstanden, warum er zeit seines Lebens überproportional viel Aufmerksamkeit der Medien erhalte. „Aber irgendwer kann mir das sicher einmal erklären.“Bevor er in der Politik und stattdessen in der Wirt- schaft war, war ihm das recht, erst seit seiner Kandidatur seien die Medien gemein und – ja – „Fake“. Auf dieses Wort haben einige gewartet, ein kleiner Buhchor stimmt an, aber er klingt fast fröhlich. Dass die Agenturen titeln, es habe laute Rufe gegeben, entspricht nicht dem Geschehen und wird das schiefe Medienbild Trumps nicht geraderücken.
Für ihn ist es auch eine persönliche Genugtuung: Er hätte sich als Bauunternehmer offenbar immer eine Einladung nach Davos gewünscht. Doch sie blieb dem lauten Selbstdarsteller versagt, nun fliegt er mit einer Armada an Helikoptern ein und lädt 15 der weltweit wichtigsten CEOs zum Dinner ein. „Nun habe ich 15 neue Freunde“, sagt Trump: Die hatten ihn tatsächlich für seine Steuersenkungen gelobt. Sein Ego scheint in Davos weitergewachsen zu sein. Zumal er nicht gesehen hatte, dass Macron im Gegensatz zu ihm echte Standing Ovations erhalten hatte – nicht nur von anwesenden Landsleuten. Vielleicht will er das aber auch nicht wissen. Nach seiner Ansprache flog Trump sofort
E davon. Ober er wiederkommt? ine bessere Politshow findet er kaum ein Europa. Ein Beispiel? In Davos steht nicht nur ein riesiges Kongresszentrum, für das Forum wurde ein globales Medien-Konzern-Dorf errichtet, das irgendwo zwischen Disneyland und Minimundus einzuordnen ist. Für die Woche haben manche Davoser das Geschäft des Jahres gemacht – zumindest die, die ein Häuschen im Zentrum besitzen. Ein Dutzend Häuser wurden von den Silicon-Valley-Riesen gemietet, völlig neu gestaltet und als freundliche Präsentationsfläche genutzt. Auch einige Länder wie Indien und Indonesien, eine Gruppe von Investoren um das Kaspische Meer präsentieren sich in Geschäftslokalen.
Den Vogel haben die Erzfeinde Russland und Ukraine abgeschossen. Vis-à-vis haben sie ihre Botschaften bezogen, die Ukrainer sind immer voll, es ist lang und laut. Die Russen haben das kitschigste Haus auf der Promenade bezogen und veranstalten ihren eigenen Kongress. Manipulationen, wie sie allen Indizien zufolge bei den USWahlen oder vor Urnengängen in Europa stattgefunden haben, werden natürlich in Abrede gestellt. Fake News? Eine Erfindung der Mainstream-Medien.
Apropos: In Davos waren auch diesmal wieder Medienmacher einig darin, dass weder staatliche Kontrolle noch Gesetze, sondern nur die Kraft des objektiven und transparenten Journalismus dagegenhalten könne. Eine Ursache nannte der Historiker Timothy Snyder. Er bezog sich auf die Lage in den USA, wo Fake News zu den Lieblingsworten Trumps zählt: Der Niedergang der lokalen Zeitungen, Radio- und TV-Stationen sei schuld: Wenn der lokale Reporter verschwindet und mit ihm die Möglichkeit fast jedes Bürgers, selbst im Bezirksblatt vorzukommen, gibt es keine Identifikation des Einzelnen, sagt Snyder. Überregionale Medien wirkten fremder, aufgrund der Ferne abgehoben und manipulativer. Das sei das Ende des breiten Vertrauens in
U die klassischen Medien. nd was ist die beste Nachricht? Seit mehr als zwanzig Jahren lag nicht mehr so viel Schnee in Davos. Aber das Wintermärchen wurde durch die eigentliche Währung des Forums, der Schweiz und wohl der gesamten Welt perfekt: Die Wirtschaft legt zu, sogar Europa entdeckt das Plus wieder, und der Optimismus ist so groß wie seit Jahren nicht mehr. Die ökonomische Aufbruchsstimmung – vor allem in den USA – hat auch andere Gründe, über die man bis zu diesem Montag nichts las: Die von Trump beschlossene Steuerreform befeuert die USKonjunktur – und das hilft weltweit, wie der IWF verkündete: „Die Änderungen in der USSteuerpolitik stimulieren die wirtschaftlichen Aktivitäten.“Also die Weltwirtschaft. Trump kommt also ganz sicher wieder.