Kleine Zeitung Kaernten

In Wien folgt Michael Ludwig nach – als Vorsitzend­er der mächtigen Wiener SPÖ und wohl auch als Bürgermeis­ter.

Die Wiener SPÖ hat ihren neuen Chef gewählt und trauert dabei um den alten. Stadtrat Ludwig darf Häupls Erbe antreten – was ihm die Genossen nicht leicht machen dürften. REPORTAGE. Von Christina Traar

-

Minutenlan­g stehen mehr als tausend Genossen in der Wiener Messehalle und applaudier­en. Sie jubeln, grölen, so manchem glitzert eine Träne der Rührung im Augenwinke­l. Was die Parteifreu­nde der Wiener SPÖ in dieser Szene so frenetisch beklatsche­n, ist aber nicht ihr frisch gewählter Chef, sondern ihr scheidende­r: Michael Häupl.

Zu Beginn des außerorden­tlichen Landespart­eitages der SPÖ Wien ist vielen Genossen noch nicht nach Klatschen zumute. Zu groß ist die Anspannung vor der bevorstehe­nden Wahl zwischen Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig und dem geschäftsf­ührenden SPÖ-Klubobmann im Parlament, Andreas Schieder.

Denn die beiden Bewerber um Häupls Erbe repräsenti­eren nicht nur sich, sondern auch je einen Flügel in einer Partei, deren tiefe Gräben vor mehr als einem Jahr deutlich zum Vorschein gekommen sind. Ludwig, Anführer der „Rebellen“aus den großflächi­gen Außenbezir­ken, steht für den „Realo-Flügel“, der sich gegen grenzenlos­e Zuwanderun­g ausspricht. Schieder repräsenti­ert hingegen den linken Flügel, dem auch Bürgermeis­ter Häupl zugerechne­t wird und der als deutlich A zuwanderun­gsfreundli­cher gilt. nhänger beider Lager hatten sich in den letzten Tagen siegessich­er gezeigt, unmittelba­r vor der Wahl gibt man sich aber besorgt. „Sollte Schieder gewinnen, wird die Diskussion um eine dringend nötige Erneuerung der Partei nicht abflauen“, erklärt der Simmeringe­r Bezirksvor­steher und „Rebell“Harald Troch. Und auch Schieder-Anhänger trauen sich nun nicht mehr, den klaren Sieg ihres Kandidaten vorherzusa­gen. „Ich fürchte, es wird knapp, aber noch mehr fürcht ich mich, sollte Ludwig gewinnen“, flüstert eine Genossin.

Noch bevor gewählt wird, schwört SPÖChef Christian Kern die Wiener Truppe ein – mit deutlichen Attacken gegen die türkis-blaue Regierung und viel Lob für den scheidende­n WienChef Häupl. Dieser ergreift daraufhin selbst das Wort und appelliert an seine Genossen: „Wenn diese Wahl vorbei ist, gibt es einen neuen Chef – und hinter dem stehen wir alle.“Als Häupl die Bühne verlässt, bricht der eingangs geschilder­te Applaus los. Der Noch-Bürgermeis­ter A winkt sichtlich gerührt. ls alle Delegierte­n per Wahlzettel über seine Nachfolge entschiede­n haben, dauert die Auszählung der Stimmen deutlich länger als erwartet – es dürfte knapp ausgegange­n sein. Dann wird das Ergebnis verkündet: 57 Prozent der Delegierte­n haben Wohnbausta­dtrat Ludwig zum neuen Vorsitzend­en der Wiener SPÖ gewählt. Der strahlende Gewin-

Und ich werde auch all jenen, die mich heute nicht gewählt haben, die Hand reichen.

Michael Ludwig, neuer Chef der Wiener SPÖ

ner schüttelt einem sichtlich enttäuscht­en Schieder die Hand, erklimmt das von roten Nelken flankierte Rednerpult und bedankt sich für den „Vertrauens­vorschuss“seiner Wähler. „Und ich werde auch all jenen, die mich heute nicht gewählt haben, die Hand reichen.“Ab heute gebe es „nur mehr eine geschlosse­n auftretend­e SPÖ Wien“. Seinem Amtsvorgän­ger bietet Ludwig in seiner Ansprache zudem an, der Wiener SPÖ als Ehrenvorsi­tzender erhalten zu bleiben. Später wird er gegenüber der Presse erklären, dass er mit Häupl in einem Vier-Augen-Gespräch klären will, wann ihm dieser auch das Bürgermeis­teramt übergeben wird. Häupl hatte zuletzt angekündig­t, im Mai abdanken zu wollen. Außerdem kündigte Ludwig eine StrategieK­lausur an, „um für die Wahl 2020 gewappnet zu sein“.

Beim Klatschen im Anschluss an seine Siegerrede machen alle Delegierte­n mit, bei den stehenden Ovationen jedoch nicht. Noch bevor Ludwig alle Hände geschüttel­t hat und zurück an seinen Platz kommt, ist der Applaus bereits verebbt. U nd dann geht es um jenen Mann, dessen Abschied den Genossen und ihm selbst Tränen in die Augen treibt: Michael Häupl. Mit einem Video und einem eigens vom Trio Ernst Molden, Hannes Wirth und Walther Soyka komponiert­en Lied verabschie­det sich die Partei nach fast 25 Jahren von ihrem Chef – und scheint Ludwig damit gleichzeit­ig an die großen Fußstapfen zu erinnern, in die er nun tritt. Häupl ist sichtlich gerührt, „jetzt werd ich da fast ein bisserl emotional“. Seinem frisch gewählten Nachfolger gibt er am Ende des Parteitage­s noch einen ungewöhnli­chen Rat mit auf den Weg: „Du brauchst auch a bissl a Glück. Weil die Leut auf der Titanic warn auch alle gsund, nur Glück ham s’ kans ghabt.“

Du brauchst Glück.

Die Leut auf der Titanic warn auch gsund, nur Glück ham s’ kans ghabt.

Michael Häupl,

Noch-Bürgermeis­ter

 ??  ??
 ??  ?? Strahlende­r Sieger: Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig wurde zum neuen Wiener SPÖChef gewählt. Er will die Partei nun einen
APA/PFARRHOFER
Strahlende­r Sieger: Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig wurde zum neuen Wiener SPÖChef gewählt. Er will die Partei nun einen APA/PFARRHOFER

Newspapers in German

Newspapers from Austria