Maria Kilzer (55) war zwei Jahre auf Jobsuche. Ihre Geschichte, wieder eine Arbeit zu finden.
Maria Kilzer (55) fand über die Aktion 20.000 Arbeit, Manfred Schmidt (58) bekam keine Chance mehr. Zwei Schicksale der Langzeit- und Altersarbeitslosigkeit.
Ich bin so glücklich, wieder arbeiten zu können“, sagt Maria Kilzer (55), die zwei Jahre lang einen Job gesucht hat. Seit September ist sie Bürokraft in der Villacher Alpen Arena, dem von 7000 Skispringern besuchten Zentrum für Nordischen Sport mit Sprungschanze, Langlaufloipe und Skirollerstrecke. „Ich habe eine abwechslungsreiche Tätigkeit in einem schönen Ambiente, genau das, was ich mir vorgestellt habe“, sagt die Villacherin, die neben Schriftverkehr Termine von Sportlern, Trainern und Vereinen koordinieren und 600 Saisonkarten erstellen muss.
32 Jahre lang sei sie „ohne Leerlauf“als Sekretärin und Sachbearbeiterin tätig gewesen, erzählt sie. Zwei Fremdsprachen beherrsche sie fließend. Und doch sei es für sie unmöglich gewesen, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Das habe ich mir nie so schwierig vorgestellt“, sagt sie. „Wenn du heute 45 plus bist, bekommst du oft nicht einmal mehr die Chance auf ein Vorstellungsgespräch“, musste sie schockiert feststellen. „Und bist du über 50, bist du wie unsichtbar.“
In der Qualifizierungswerkstatt 45+ des AMS seien bestens ausgebildete Arbeitslose gesessen, aber von zwölf hätten nur zwei einen Job gefunden. Die Floskel „Wer arbeiten will, findet eine Arbeit“entspreche nicht der Wahrheit. Wer das nicht glaube, solle es selbst probieren, schlägt Kilzer vor.
Das Selbstbewusstsein der Arbeitslosen hatte schon einen gehörigen Knacks, als sie in einem Wifi-Kurs erfuhr, dass Villach Pilotregion für die „Aktion 20.000“geworden sei. Sofort intervenierte sie bei ihrem AMS- und erhielt in Folge die Jobzusage der Alpen Arena, die als gemeinnütziger Verein vom Landesskiverband, Stadt Villach, Land Kärnten und zum Teil durch eigene Einnahmen finanziert wird.
„Sie war dringend gebraucht“, sagt Geschäftsführer Franz Smoliner über seine neue Hilfe, die bis Juni 2019 beim Gemeinnützigen Personalservice GPS angestellt ist. Für die Alpen Arena fällt nur ein Verwaltungsbeitrag von 100 Euro im Monat an. „Wenn wir nicht in die Aktion 20.000 hineingerutscht wären, täten wir uns sehr schwer“, sagt Smoliner, der auch zwei Platzwarte mit technischem Verständnis für Spurfräse, Seilwinde und dergleichen über die Aktion engagieren konnte. Beide seien über 55 Jahre alt, einer habe im Tunnelbau gearbeitet. Auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten sie keine Chance mehr gehabt, ist Smoliner überzeugt. „Jetzt sind sie glücklich, dass sie wieder inteBetreuer
griert sind.“Smoliner hofft, zwei der drei „Aktionisten“nach 2019 weiterbeschäftigen zu können. Die Einnahmen aus einer neuen Biathlon-Schießanlage sollen die Finanzierung ermöglichen.
Die vorzeitige Beendigung der Aktion 20.000, die nicht vermittelbaren Arbeitslosen sinnvolle Beschäftigung und Integration in die Gesellschaft ermögliche, ist ihm unverständlich. „Das ist wie ein Stich ins Herz.“
So empfindet es auch Manfred Schmidt (58). Der seit 2016 arbeitslose ehemalige BrauereiKraftfahrer hatte einen Job als Hausmeister beim Beruflichen Bildungs- und Rehazentrum BBRZ in Aussicht. Doch dazu kam es wegen der Einstellung der Aktion 20.000 nicht mehr.
Schmidt gehört zu den 895 Arbeitslosen, die sich umsonst Hoffnungen gemacht haben, bedauert AMS-Landesgeschäftsführer Franz Zewell. Von 3057 Langzeitarbeitslosen über 50 Jahre hätten 1188 einen Arbeitsplatz erhalten. Nun seien es nur mehr 293. „Die Menschen, die diese Chance nicht haben, sind verzweifelt. Ich habe viele weinen gesehen“, sagt Zewell.
„Ich bin in ein tiefes Loch gefallen und weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll“, schildert Schmidt. 40 Jahre lang hat er teilweise sehr schwer gearbeitet, drei Jahre fehlen ihm bis zur „Hacklerpension“. Trotz gesundheitlicher Probleme würde er die Zeit sehr gerne noch mit Arbeit füllen. Die Befürchtung, dass – wie diskutiert – der Notstand in die niedrigere Mindestsicherung übergeführt werden könnte, verstärkt seine Zukunftsangst. Da auch seine Frau nach über 30 Jahren Arbeit derzeit arbeitslos ist, wäre das Leben für das Ehepaar, das zwei Kinder großgezogen hat, kaum mehr finanzierbar. Personen in Lebensgemeinschaften bekommen nämlich nur den 1,5-fachen Betrag an Mindestsicherung, das wären etwa 1260 Euro.
Man habe eh schon abgespeckt, sagt Schmidt, sei in eine kleine 50-Quadratmeter-Wohnung umgezogen, mache keinen Urlaub mehr und habe das Skifahren aufgegeben. „Wir müssen uns die Ausgaben gut überlegen, spontan sein können wir nicht mehr.“Das in über 70 gemeinsamen Arbeitsjahren mühsam Ersparte und Erarbeitete – Schmidt hat für das Studium der Tochter sogar nebenbei nachts die Zeitung ausgetragen – geht zur Neige. „Sollen wir wie Bettler leben, wo ich 40 Jahre durchgearbeitet habe, ohne einen Tag zu stempeln?“, fragt Schmidt.
Viele ältere Arbeitslose werden sozial ausgegrenzt, weiß Zewell. „Sie verlieren ihre Würde und ihr Potenzial.“Die Aktion 20.000 wäre eine Chance gewesen, an der Gesellschaft teilzuhaben. „Der Erfolg, dass wir 2017 deutlich mehr Arbeitslose über 50 vermitteln konnten, wird dadurch getrübt.“