Die Regierung will die Mindeststrafen für Sexual- und Gewaltdelikte erhöhen. Experten kritisieren die Reformpläne.
Die Regierung will die Mindeststrafen für Sexual- und Gewaltdelikte erhöhen und fängt sich damit deutliche Kritik von Experten ein.
Im vergangenen Sommer sorgte der damalige Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) mit einer Ankündigung für Aufsehen. Sexual- sowie Gewaltdelikte gegen Frauen und Kinder sollen in Zukunft deutlich härter bestraft werden. Ein halbes Jahr und eine Regierungsbildung später sollen der Ankündigung nun Taten folgen. Unter der Verantwortung von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) wird in den kommenden Wochen eine Taskforce gebildet, die entsprechende Reformen für das Strafrecht ausarbeiten soll. „Da haben wir Handlungsbedarf“, erklärt sie.
Doch die Reaktionen auf die geplanten Verschärfungen fallen nicht so aus, wie es sich die Regierung erhofft haben dürfte. Denn nicht nur die Opposition bezeichnet die Pläne als „nicht notwendig“oder als „Versuch eines Imagegewinns“. Auch renommierte Strafrechtsexperten können besagten „Handlungsbedarf“nicht erkennen. „Wer bei diesen Strafen etwas ändern will, muss erst beweisen, warum das notwendig sein soll“, erklärt Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht an der Universität
Wien. „Die letzte Strafrechtsreform hat 2016 zahlreiche Verschärfungen mit sich gebracht, das Strafmaß ist also sicher hoch genug“, erklärt er. „Man muss dieser Reform aber auch Zeit geben, um zu greifen.“Fuchs spricht sich deshalb dafür aus, die 2016-Reform fünf Jahre wirken und dann evaluieren zu lassen. Und auch das Argument der Prävention will er nicht gelten lassen: „Der Mensch wird nicht besser, je länger er in einem totalitären Regime – und dem entspricht ein Gefängnis nun einmal – eingesperrt wird.“
Aktuelle Studien belegen, dass Österreich auch ohne die von der Regierung geplanten Erhöhungen zu den EUvilcourage Spitzenreitern gehört, wenn es um das Ausmaß von Strafdrohungen geht. Aber eben diese Höhe spielt in der Situation, in der eine solche Tat begangen wird, ohnehin keine Rolle, erklärt Andreas Zembaty, Sprecher des Bewährungshilfe-Vereines „Neustart“: „Das lässt sich leicht illustrieren: Wenn Sie ein Autofahrer schneidet und Sie aufgewühlt zu seinem Auto stürmen: Denken Sie, bevor Sie auf ihn losgehen, über das Strafmaß nach, das Ihnen drohen würde?“
Es seien andere Gründe, die potenzielle Täter vom Begehen einer Straftat abhalten. „Die Aufklärungsrate der Exekutive, die Präsenz der Polizei und die Zi- der Gesellschaft haben eine deutlich größere Präventivwirkung, als es ein Strafmaß je haben könnte.“Wenn Zembaty etwas ändern könnte, wüsste er, wo er ansetzen würde: „Es geht im Strafrecht nicht um Quantität, sondern um Qualität. Hier könnte man sich durchaus andere Formen der Unterbringung überlegen.“Denn lange Haftstrafen beruhigen zwar die Bevölkerung, sagt Zembaty. „Aber je länger jemand eingesperrt ist, desto schwerer wird es, ihn wieder in die Gesellschaft zurückzuführen, und das Risiko einer Wiederholungstat steigt.“
Ein Standpunkt, den auch Strafrechtsexperte Fuchs vertritt. Aus seiner Sicht müsste die reformwillige Regierung an anderer Stelle ansetzen. „Die unzähligen kleinen Änderungen in den vergangenen Jahren haben das Strafrecht zu einer Geheimwissenschaft gemacht“, erklärt er. „Eine einheitliche, klare Formulierung und Bereinigung würde deutlich mehr bringen.“
Damit das Strafrecht Wirkung
zeigen kann, müssen Taten und Strafen im richtigen Verhältnis zueinander stehen.
Karoline Edtstadler,
Staatssekretärin Der Mensch wird nicht besser, je länger er eingesperrt wird.
Helmut Fuchs,
Professor für Strafrecht