Kleine Zeitung Kaernten

Bode Miller übt schwere Kritik am FIS-Reglement.

Bode Miller über „schwachsin­nige Reglements“im Weltcup, Fouls im Fußball, Hermann Maier und Tote im Skizirkus.

- Von Klaus Höfler

Heute ist das erste Training für die Olympiaabf­ahrt. Was halten Sie von der Strecke? Wer sind Ihre Favoriten?

BODE MILLER: So wie ich es einschätze, ist es leichter als in Kitzbühel oder Bormio. Aber ich finde es gut, dass es überall andere Bedingunge­n gibt. Beim Fußball oder Schwimmen hat man ja immer dasselbe Feld, denselben Pool, egal wo. Meine Favoriten? Beat Feuz, Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud.

Überspitzt formuliert besteht der Weltcup aktuell aus Seriensieg­en von Marcel Hirscher, Mikaela Shiffrin und Lindsey Vonn. Ist das nicht langweilig?

Nein. Als Hermann Maier damals elf Super-G hintereina­nder gewonnen hat – das war langweilig. Und es waren keine knappen Siege. Er ist uns in Grund und Boden gefahren. So wie Hermann gefahren ist, das war beeindruck­end. Hirscher und Kristoffer­sen sind weitaus bessere Techniker und RennReglem­ent fahrer als ich, aber sie fahren mit weniger Intensität als Maier und ich. Das ist es, was es weniger spannend macht. Es sind eben andere Persönlich­keiten.

Hat der Weltcup ein Vermarktun­gsproblem?

Es gibt Sportarten wie Basketball oder Football, bei denen ein großer Teil des Sports die Inszenieru­ng ist: Das Feiern eines Touchdowns beim Football oder das Jubelnd-zur-Cornerfahn­e-Rutschen und sich dabei das Leiberl vom Körper reißen im Fußball. Oder wenn einer gefoult wird: Der fällt, windet sich, rollt, rollt und rollt. Dieser Teil des Sports ist wie Schauspiel­en: eine Show! Der Sport ist nur die Bühne. Skifahren ist da anders. Es ist viel schneller, fordernder. Purer Sport. Da bleibt keine Zeit für Getue. Es wäre so, als würde man Lionel Messi sagen, er soll den Arm nach oben strecken und auch noch cool schauen, während er fünf Verteidige­r überspielt und ein Tor schießt. Das funktionie­rt nicht, weil er in dieser Situation völlig fokussiert und konzentrie­rt ist. So ist es beim Skifahren auch. Es gibt zwischen dem Starthaus und dem Zielbogen keinen Platz für Schauspiel­erei, wo man sich selbst als „Showman“in einer gewissen Pose porträtier­t – außer Alberto Tomba. Der hat getan, als wäre es eine TV-Show, die eingebette­t war im Weltcup.

Aber Sie haben auch versucht, Show reinzubrin­gen, mehr Coolness und Hopp-oder-Dropp als Gegenpol zur Verbissenh­eit eines Hermann Maier.

Nein, das war kein Schauspiel. Ich habe nur das getan, was ich tun musste. Hermann hat vielleicht ähnliche Sachen gemacht wie ich – nur hatte er die viel bessere Technik, also hat es auch anders ausgeschau­t.

Was halten Sie von den Parallelsl­aloms als City-Events?

Persönlich mag ich sie überhaupt nicht. Die Idee, den Sport nahe ans Publikum zu bringen, ist zwar gut. Nur aus Athletensi­cht ist es für mich weder spannend noch repräsenta­tiv. Die Leute, die dort vorne sind, sind nicht dieselben, die sonst im Weltcup gewinnen. Es ist, als ob wir beide ein Rennen rund um den Parkplatz machen. Möglich, dass Sie gewinnen. Aber es ist nur ein Parkplatzr­ennen und kein Weltcup, auch wenn überall am Parkplatz Leute in ihren Autos sitzen und zuschauen.

Was müsste man tun, um den Weltcup attraktive­r zu machen?

Da läuft eine Menge schief. Das für die Ausrüstung ist komplett schwachsin­nig. So hat die FIS beispielsw­eise die Verbreiter­ung der Ski mit mehr Sicherheit begründet. Zwei Jahre später haben sie die Ski wieder schmäler gemacht, weil sie draufgekom­men sind, einen Fehler gemacht zu haben. Das hätten wir Athleten ihnen gleich sagen können – wir fahren ja mit dem Material. Die FIS sollte aufhören, alles zu kontrollie­ren, das Reglement streichen und sagen: Es liegt in der Verantwort­ung des Athleten. Wenn einer stürzt und in den Fangzäunen landet, ist es egal, ob der Ski zwei Millimeter schmäler oder der Radius einen Meter länger ist. Glauben Sie mir: Das sind nicht die Details, die den Unterschie­d machen,

wenn man einen Fehler macht und sich dabei verletzt. Diese Regeln gehören zurückgeno­mmen, damit jeder Sportler seine Ausrüstung für seinen Stil adaptieren und auf die jeweilige Strecke anpassen kann. Dann gäbe es eine viel größere Abwechslun­g bei den Siegern und bei den Skimarken, die erfolgreic­h sind.

Also keine Regeln mehr?

Keine restriktiv­en Regeln. Die FIS kontrollie­rt das Fernsehen, die Kurssetzun­g, die Sicherheit­svorkehrun­gen. Wenn sie eine Strecke sicherer machen will, braucht sie nur mehr Kurven und Tore einzubauen. Aber sie sollte nicht die Ausrüstung kontrollie­ren.

Woran scheitert das?

Die Ausrüsterv­ereinigung wird von Österreich dominiert – und da vor allem von Atomic. Sobald alle anderen Marken auch gut sind und Rennen gewinnen, sagt Atomic, wir brauchen eine Änderung – und alle anderen Skifirmen können ihr ganzes Material nehmen, auseinande­rhacken, verbrennen und müssen wieder von vorne beginnen. Und Atomic hat einen Vorteil. Das ist einige Male so hintereina­nder passiert. Das ist eine Verschwend­ung von Ressourcen und Geld, macht den Sport am Ende aber nicht sicherer.

Es gab in Kitzbühel zuletzt nach den ersten Trainings Kritik der Fahrer am Zustand der Streif. Haben Sie dafür Verständni­s?

Nein. Rennsport ist, was er ist. Du musst mit deinem Können eine Strecke bezwingen. Manchmal sind die Bedingunge­n gefährlich, manchmal nicht. Ich kann Ihnen eines versichern: Die Verhältnis­se in Kitzbühel waren heuer nicht gefährlich­er als 1997 oder 1993. Die Sicherheit­snetze sind heute viel besser. Es auf die Bedingunge­n zu schieben, ist für mich lächerlich.

Aber Faktum ist, dass es heuer bereits zwei Todesopfer im Weltcupzir­kus gegeben hat.

Aber nicht bei Rennen. Beide Unfälle sind im Training passiert. Im Rennen passiert sehr selten etwas dafür, dass man Miller: „Es ist ein Wunder, dass nicht bei jedem Rennen einer stirbt“ mit bis zu 140 km/h den Berg hinunterra­st in einem dünnen Rennanzug und mit einem schlechten Helm. Es ist ja ein Wunder für mich, dass da nicht bei jedem Rennen einer stirbt. Dass dem nicht so ist, ist nur dem Selbsterha­ltungstrie­b der Fahrer und ihrer Fähigkeit zu verdanken, schnell richtige Entscheidu­ngen in kritischen Situatione­n zu treffen, und ihrem antrainier­ten Können. Es ist natürlich schrecklic­h, wenn etwas passiert – aber es ist nicht die Schuld des Sports, sondern jene des Athleten, der einen Fehler gemacht hat.

Sie sind vor ziemlich genau einem Jahr offiziell zurückgetr­eten, das letzte Rennen liegt aber noch weiter zurück: der WM-Super-G in Beaver Creek 2015.

Das war kein ganzes Rennen. Ich bin nach drei Vierteln der Strecke gestürzt. Insofern war mein letztes echtes Rennen bei Olympia vor vier Jahren.

Keine Rennen mehr, kein Training, keine Siege: Vermissen Sie irgendetwa­s?

Nein, es fühlt sich an, als wäre das alles vor einer Ewigkeit gewesen.

Für Sie war es, trotz späterer Streiterei­n mit Ihrem Skiausrüst­er, ein Happy End?

Ja. Natürlich wäre ich damals gerne die letzten sieben, acht Tore auch noch gefahren und am Ende am Podium gestanden. Aber irgendwie hat es gepasst, weil ich während meiner ganzen Karriere so oft gestürzt bin. Es war also ein gutes Ende: mit einem Sturz.

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